Verdrängen ist Endstadium der Macht des Vergessens

Florenz/Dublin, 22. November 2020 (ADN). Das Vergessen gehört zum gesellschaftlichen Erholungsprozess. So erklärt der australische Historiker Christopher Clark die Erwartung, dass auch die Corona-Krise rasch den Kreis der menschlichen Sorgen verlässt. „Pandemien verschwinden sehr bald aus dem kollektiven Bewusstsein“, sagt der Geschichtsexperte und Buchautor am Sonntag im Deutschlandfunk. Deshalb bleibe es fraglich, ob Lehren aus der Krise gezogen werden. Als überzeugendes Beispiel nennt er die italienische Stadt Florenz, die einst von der Pest überzogen war.

Dass das auch für politische Schreckensereignisse gilt, zeigt der „irische Blutsonntag“, mit dem vor 100 Jahren die britische Krone Dublin und Irland brutal unterworfen hatte. Britische Besatzer erschossen 14 Zivilisten aus Rache dafür, dass die Untergrundorganisation IRA zwölf hohe britische Agenten umgebracht hatte. Dem folgte ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg.

Nach den Worten des Journalisten Padhraic O Dochartaich setzt Versöhnung die Benennung von Unrecht voraus. „Es ist so lange so erfolgreich totgeschwiegen worden, das es eigentlich nicht mehr existiert. Vielleicht ist es gar nicht geschehen. Das ist einfach die Macht des Vergessens, genau das Gegenteil von Erinnerungskultur und Gedächtniskultur. Man muss sich nicht entschuldigen für das, was nach unserer Erinnerung gar nicht geschehen ist. Das ist das Endstadium des Erfolges der Verdrängung.“ ++ (352)

Jeder vierte Umzug ist Folge von Verdrängung

Berlin, 23. April 2019 (ADN). Fast ein Viertel der Umzüge in Berlin sind auf Verdrängung zurückzuführen. Das ergibt sich aus einer von der Wüstenrot-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie, die Fabian Beran und Henning Nuissl von der Berliner Humboldt-Universität vorgelegt haben. Per Zufallsstichprobe wurden 10.000 Umzügler aus den Berliner Stadtbezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg auf Basis des Einwohnermelderegisters angeschrieben. Davon gingen knapp 2.100 Rückläufe ein.

Die Auswertung der Fragenbögen ergab, dass 14 Prozent der Befragten direkt verdrängt worden sind. Für fast 38 Prozent der Betroffenen waren Mieterhöhungen, gefolgt von Instandhaltung das treibende Motiv zum Umzug. 23 Prozent wurde vom Vermieter gekündigt, häufig wegen Eigenbedarf. Ein Sechstel der Befragten ist ausgezogen aufgrund von Repressalien durch den Vermieter. Weitere Beweggründe für das Verlassen der angestammten Wohnung waren der Verkauf des Hauses oder der Wohnung, Baulärm und teure Modernisierungen. Sieben Prozent fühlen sich kulturell verdrängt. Unter diesem Begriff verstehen die Wissenschaftler Änderungen des Wohnumfeldes beispielsweise durch „Touristifizierung“ und deutlichen Wandel der Bewohnerschaft. 1,6 Prozent gaben an, direkt und kulturell verdrängt worden zu sein.

Besonders großen Einfluss auf die Verdrängung hat die Art des Vermieters. Dabei ragen die privaten Kleinanbieter heraus. Grund sind neben Mieterhöhungen Eigenbedarfskündigungen. Der Käufer geht dann den Schritt, für den ein Immobilieninvestor mit der Aufteilung von Häusern in Eigentum die Basis gelegt haben. ++ (st/mgn/23.04.19 – 111)

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