Heimat als Kristallisationspunkt von Identitätsprozessen

Berlin, 19. November 2018 (ADN). „Offenbar bildet Heimat einen Kristallisationspunkt von Identitätsprozessen, die angesichts von Modernisierung, Krisen und Globalisierung eine stabile Verortung des Individuums anboten und bis heute anbieten.“ So beschreibt Jens Jäger, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Köln, in der Zeitung „Der Tagesspiegel“ am Montag einen gegenwärtig wieder virulent werdenden und immer häufiger erkennbaren Trend, der eigentlich uralt ist. Das Wort „Heimat“ finde sich in je unterschiedlicher Schreibweise bereits in mittel-, alt- und mittelniederdeutschen Sprachquellen. Der ursprüngliche Bedeutungsgehalt lasse sich in etwa mit „Stammsitz“ eingrenzen. Die politische Aufladung des Heimatbegriffs sei in der Hochliteratur erst ab dem 18. Jahrhundert nachweisen. Seit der Aufklärung habe man im deutschen Sprachraum über „Heimat“ und deren Bedeutung für Individuen und Gruppen reflektiert. ++ (pl/mgn/19.11.18 – 303)

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Kumpanei zwischen Medien und Politik – Journalisten können Polizei nicht von Staatsanwaltschaft unterscheiden

Leipzig, 12. April 2016 (ADN). Es gibt teilweise ein Kartell zwischen Medien und Politik. Diese Kumpanei wird sogar eingestanden. Das sagte der Leiter des Korrespondentenbüros der Wochenzeitung „Die Zeit“ in Dresden, Stefan Schirmer, am Dienstagabend in Leipzig bei einer Podiumsdiskussion zur Zukunft des Enthüllungsjournalismus. Es müsse mehr kritische Medienmagazine geben wie das vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) produzierte Format ZAPP. Zur versteckten und kaum übersehbaren Abhängigkeit des Journalismus von wirtschaftlichen Interessen verwies Schirmer auf ein aktuelles Beispiel. So richte der deutsche Pharmakonzern Bayer an der Universität Köln eine Stiftungsprofessur für investigativen Journalismus ein. Ähnliches vollziehe sich auch im Ausland. In den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zeige sich das bereits erreichte Ausmaß. Dort habe das Mäzenatentum für mediale Projekte inzwischen eine Unterstützungssumme von einer Milliarde US-Dollar erreicht. Das solche Assoziationen auch in Deutschland entstehen, bemerkte Prof. Volker Lilienthal vom Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft  der Universität Hamburg. Einem internen Aufruf zur Unterstützung des kritischen Journalismus an Stiftungen, von denen es in Deutschland rund 1.000 gibt, seien bislang tatsächlich nur acht gefolgt. Nach seiner Meinung können Stiftungen ohnehin nicht die Finanzprobleme in diesem Bereich lösen. Das gute alte „Abo“ sei wohl hilfreicher. Ob Genossenschaften in Betracht kommen und zweckmäßig sind, bezweifelt Lilienthal. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Prof. Frank Überall, verwies auf den Auto- und Reisejournalismus, der fast durchgängig von ökonomischen Interessen geprägt ist. Dort handelt es sich einmal mehr um Fernsteuerung, sondern um direkte Einflussnahme von Seiten der betreffenden kommerziellen Branchen.

Einvernehmen fand die Feststellung, dass der investigative Journalismus auserlesenes und hochqualifiziertes Personal benötigt. Es wachse nicht auf den Bäumen und seine Ausbildung brauche Zeit. Darin bestehe ein Hauptmangel. Der Tatbestand, dass viele junge Journalisten nicht einmal die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft kennen, belege schlaglichtartig bestehende substanzielle Mangelerscheinungen im Medienbereich. ++ (me/mgn/12.04.16 – 103)

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Konzerne kaufen Wissenschaft – Forschung degeneriert zum Marketing-Instrument

Aalen, 2. März 2016 (ADN). „Forschung degeneriert in unserem Lande immer mehr zum Marketing-Instrument. Das schadet nicht nur unmittelbar, indem uns einseitige Ergebnisse als ‚die Wahrheit‘ verkauft werden.“ Das erklärte der ehemalige Investmentbanker und jetzige Dozent an der Hochschule Aalen, Prof. Christian Kreiß, in einem Interview mit der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Humane Wirtschaft“. Dadurch werde das Vertrauen der Menschen in die Integrität der Wissenschaft immer mehr untergraben. Er nennt besonders auffällige Beispiele. Sie stammen aus der Pharmabranche. In der Medikamentenforschung würden etwa 90 Prozent aller veröffentlichten Studien von der Pharmaindustrie finanziert. Deshalb wisse niemand wirklich, welche Medikamente eigentlich wie wirken und wie stark die Nebenwirkungen sind. Demzufolge entscheide auch die Pharmaindustrie darüber, welche Studien veröffentlicht werden und welche nicht. Zwar seien die Missstände im Pharmasektor besonders gravierend, aber bei weitem nicht auf diesen Bereich beschränkt.

„Unternehmen versuchen über Mittelzuwendungen immer stärker Einfluss auf die Forschung an öffentlichen Hochschulen zu nehmen. Das machen sie über Geldzuwendungen, welche die an knappen öffentlichen Mitteln leidenden Hochschulen dankbar annehmen“, erläutert Kreiß. Er nannte stellvertretend dafür das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) an der Universität Köln, das von E.ON und RWE stark mitfinanziert wird. Ein EWI-Gutachten zur Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke komme zu dem Ergebnis, dass eine Verkürzung von Reaktorlaufzeiten teuer wird und deshalb nicht zu empfehlen ist. Bei der Erstellung der Untersuchung seien allerdings „haarsträubende Fehler“ gemacht worden, um zu diesem für die Nuklear-Firmen günstigen Ergebnis zu kommen. Eine ähnliche Ansicht vertrete die Umweltpolitikerin Bärbel Höhn, die das EWI für ein  getarntes Subunternehmen von E.ON und RWE hält. Der Professor aus Aalen beschreibt ähnliche Zustände am Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Einrichtung wurde 2004 mit 55 Millionen Euro Stiftungskapital von drei Arbeitgeberverbänden gegründet und veröffentlicht häufig sehr arbeitgeberfreundliche Papiere. Die Reihe solcher Verquickungen zwischen Forschung und Wirtschaft lasse sich beinahe beliebig fortsetzen. Der Boden, auf dem staatliche Forschung stattfindet, werde langsam aber sicher immer schräger.

Kreiß  sprach sich zwar nicht generell gegen Drittmittelforschung aus, jedoch lehne er die derzeit geübte Praxis in Deutschland ab. Das betreffe beispielsweise die direkten Industriegelder an öffentlichen Hochschulen, die gegenwärtig pro Jahr 1,3 Milliarden Euro betragen. ++ (02.03.16 – 062)

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