Wittenberg/Meiningen, 31. Oktober 2020 (332)
Vor 500 Jahren hielt Melanchton wegweisende Wittenberger Antrittsrede
Wittenberg, 28. August 2018 (ADN). Vor genau 500 Jahren – am 28. August 1518 – hielt der Gelehrte, Sprachwissenschaftler und Pädagoge Philipp Melanchton an der Universität Wittenberg seine für Deutschlands Pädagogik wegweisende Antrittsrede. Sie gilt in der Geisteswelt als rhethorischer, philosophischer und sprachwissenschaftliches Diadem, das bis in die Gegenwart leuchtet. In dem Vortrag „De corrigendis adulenscentia studiis“ entwarf der wichtigste Mitstreiter Martin Luthers einen Reformplan für das humanistische Universitätsstudium, mit dem er die antike Literatur und das Studium der alten Sprachen ins Zentrum der höheren Bildung rückte. Nach Melanchthons Auffassung ließ sich beispielsweise ein Studium der Theologie ohne die drei alten Sprachen – Latein, Griechisch und Herbräisch – überhaupt nicht bewerkstelligen. Das gilt dort bis heute. Melanchthons Wirken begründete das humanistische Bildungsideal in Deutschland und prägte nationale Geistesgrößen wie Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller und Friedrich Hölderlin sowie Heinrich Heine und Friedrich Nietzsche. In St. Egidien in Nürnberg schuf Melanchthon als Praeceptor Germaniae – Lehrer Deutschlands – den Urtyp des Gymnasiums. Unter seiner Mitwirkung stieg die Universität Wittenberg zur bedeutendsten Bildungsstätte Europas auf.
Melanchthon wurde zum wichtigsten Reformator nach Martin Luther. Er integrierte den Humanismus in die protestantische Lehre. Weil die protestantischen Territorien für die folgenden 350 Jahre Deutschland dominierten, war diese Form der religiösen Reformation ein Vorgang von nationaler Tragweite. Durch Melanchthon sind die Deutschen Mustergriechen geworden. Sie waren von dem antiken Griechenland geradezu besessen. ++ (bi/mgn/28.08.18 – 220)
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Potential der Glaubensrevolution nicht ausgeschöpft
Leipzig, 31. Oktober 2017 (ADN). Das Potential dieser Revolution ist längst nicht ausgeschöpft. Jeder ist ständig reformbedürftig. Das stellte Prof. Ingolf U. Dalferth-Claremont am Dienstag in Leipzig bei einem Festvortrag zum Reformationsjubiläum an der Universität Leipzig fest. Die Reformation sei eine Revolution des Glaubens gewesen, die zu einer existentiellen Neuausrichtung des Lebens führt. „Gott allein gehört alle Ehre, nicht irdischen und mächtigen Hierarchien“, merkte der Inhaber der Leibniz-Professur der Leipziger Universität an.
Der Festvortrag stand unter dem Titel „Die Vernunft des Glaubens – Die Revolution der Denkart durch die Reformation“. ++ (th/mgn/31.10.17 – 304)
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EKD-Vorsitzender erläutert Leitlinien zur Erneuerung der Kirche
Leipzig, 8. Oktober 2017 (ADN). „Wie kann man fromm sein, ohne sich um Politik zu kümmern ?“. Diese selbstgestellte rhethorische Frage beantwortete der Vorsitzende der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Sonntag in Leipzig mit einem Beispiel aus der Diskussion über den Klimawandel eindeutig. Bei einem Besuch der Schwesterkirche in Tansania führte ihn sein Amtsbruder zu den verdorrten Feldern des Landes unter Hinweis darauf, dass der Ausstoß von Kohlendioxid in dem afrikanischen Land pro Kopf und Jahr weit unter einer Tonne liegt. Die entsprechenden Vergleichswerte für die USA betrügen 16,5 Tonnen, für Deutschland 9,3 Tonnen und der globale Durchschnittswert vier Tonnen. Obwohl also die Einwohner von Tansania den geringsten Ausstoß des klimaschädlichen Gases verursachen, hätten sie die Hauptlast der durch den Klimawandel herbeigeführten Schäden mitzutragen. Diese grobe Ungerechtigkeit müsse politisch aufgelöst werden und die Kirchen hätten die Verpflichtung, die Schöpfung der Natur zu bewahren.
Bedford-Strohm, der auch Landesbischof der Evangelischen Kirche Bayerns ist, hatte in der Leipziger Michaelis-Kirche während des sonntäglichen Gottesdienstes eine sogenannte Kanzelrede zum Thema „Kirche in Erneuerung“ gehalten, die als Serienveranstaltung innerhalb der Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläums stattfindet. Er hatte dazu sieben Leitlinien zur Orientierung der Christen in Deutschland aufgelistet und erläutert. Dabei dominierten innerkirchliche Reformüberlegungen, die die EKD ausgearbeitet hat und verfolgt. Breiten Raum nimmt dabei die Überwindung der konfessionellen Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken ein. Ein zentraler Streitpunkt sei das heilige Abendmahl, bei dem die katholische Kirche einen sehr viel strengeren Anspruch formuliert und in jedem Gottesdienst nach einem Jahrhunderte alten Ritus zelebriert wird. Während es ausschließlich katholischen Gläubigen vorbehalten ist, darf am Abendmahl der evangelische Kirche jeder, der will, teilnehmen. Dennoch zeigte sich der EKD-Vorsitzende optimistisch, dass es nicht noch 300 Jahre dauern wird und er als 57jähriger noch zu hoffen wagt, ein gemeinsames Abendmahl beider Konfessionen zu erleben. Inzwischen kursiere in Kreisen der katholischen Bischofskonferenz ein Papier, dass ein Entgegenkommen andeutet und Annäherung der unterschiedlichen Positionen verspricht. Selbst der Papst habe ihn persönlich ermuntert mit der vielsagenden Formel „Redet mit Christus und schreitet mutig voran !“. Dahinter versteckt sich die geheime Botschaft an die katholischen und evangelischen Christen „Lasst es uns einfach machen“, schlussfolgerte eine Teilnehmerin in dem Nachgespräch, das im Anschluss an den Gottesdienst mit Kanzelrede stattgefunden hatte. ++ (re/mgn/08.10.17 – 282)
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Bittere Bilanz – Wittenberger liest Reformationsorganisatoren die Leviten
Wittenberg/Leipzig, 5. September 2017 (ADN). Der Wittenberger Bürgerrechtler und Pfarrer Friedrich Schorlemmer hat gemeinsam mit dem ehemaligen Pfarrer der Leipziger Thomaskirche, Christian Wolff, eine bittere Bilanz des bisher absolvierten Veranstaltungsprogramms zum 500jährigen Reformationsjubiläum gezogen. Die Streitschrift der beiden engagierten Theologen liegt seit Dienstag in der Wittenberger Stadtkirche und in der Leipziger Thomaskirche aus. Das Kritiker-Duo liest insbesondere den Organisatoren die Leviten, deren konkrete Adressen Evangelische Kirche Deutschlands (EKD), Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT) und die Veranstalterorganisation des Jubiläums „r2017“ lauten. Sie hätten zwei große Herausforderungen „auf dem Weg“ zum 31. Oktober 2017 nicht bewältigt. zum einen sei versäumt worden, die Krise der Kirche in der säkularen Welt offen anzusprechen, ihre Lage zu analysieren und neue Visionen zu entwickeln. Zum zweiten sei kein Weg zur inneren Reform der Kirche gewiesen worden. Damit verbinde sich insbesondere die Frage, wie die Gemeinden vor Ort dem dramatischen Traditionsbruch begegnen können. Stattdessen habe der Kirchenapparat acht ostdeutschen Städten ein überdimensioniertes Mammutprogramm übergestülpt. Gewiss habe es eindrucksvolle und gelungene Veranstaltungen gegeben. „Aber insgesamt geriet das Programm zum Fanal einer grandiosen Selbsttäuschung und machte gleichzeitig die tiefe inhaltliche und strukturelle Krise vieler Kirchgemeinden offenbar“, prangern die beiden Autoren an.
In dem Memorandum wird deutlich gemacht, dass es zwischen den gesellschaftlichen Zuständen vor 500 Jahren und der heutigen modernen Zeit vier Parallelen gibt. Beispielsweise sortierten sich zu Luthers Zeiten die politischen Mächte in Mitteleuropa neu. Heute, in der globalisierten Welt, werde der Vorrang von Friedenspolitik bei der Neuordnung von Regionen radikal in Frage gestellt. „Gerechtigkeit für die Benachteiligten, Hungernden und Heimatlosen bleibt auf der Strecke, während die ganze Schöpfung unter dem ausbeuterischen Gebaren der Gattung Mensch seufzt“, heißt es in dem Dokument. ++ (re/mgn/05.09.17 – 249)
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Reformatorischer Dreiklang „Freiheit-Bildung-Verantwortung“ gilt bis heute
Leipzig, 31. Oktober 2016 (ADN). Der von Martin Luther formulierte reformatorische Dreiklang „Freiheit-Bildung-Verantwortung“ gilt bis heute. Das stellte Britta Taddiken, Pfarrerin an der Leipziger Thomaskirche, am Reformationstag in ihrer Festpredigt zum Auftakt des Jubiläumsjahres „500 Jahre Reformation“ fest. Deshalb seien diese drei Wörter in der neuen Luther-Bibel, die am Vortag in der Eisenacher Georgenkirche erstmals der Öffentlichkeit präsentiert worden ist, auch dick gedruckt. Insofern habe man das, was vor 500 Jahren und in der darauf folgenden Reformation geschah, als bis heute nicht abgeschlossen zu betrachten. Dem Druck sich ständig selbst oder anderen gegenüber rechtfertigen zu müssen, sei entgegenzutreten. Wie aus den eigenen Selbstrechtfertigungszwängen herauszukommen ist, zeige die Bibel mit dem 365 Mal wiedergegebenen Aufruf „Fürchte Dich nicht !“. Die entscheidende Frage bestehe darin, wie wir zusammenleben wollen und so in der Lage sind, den erbarmungslosen Konkurrenzkampf abzustreifen. „Jeder von uns ist zur persönlichen Befreiung berufen“, so Taddiken – also zum Relativieren und Verändern.
Taddiken animierte zu individueller Kreativität, um dem weltweit verbreiteten Virus der Unzufriedenheit und Aggression zu entgehen und nannte dazu überzeugende aktuelle Beispiel. Die Grünen-Politikerin Renate Künast hatte, nachdem sie im Internet massenweise mit Hassparolen und Beschimpfungen überschüttet worden ist, eine wirkungsvolle Idee. Sie ermittelte die wahren Adressaten und besuchte sie unangemeldet und persönlich, um sich direkt mit ihnen über die Motive für die Diffamierungen auszusprechen. Dies sei ein interessanter Versuch, um Martin Luthers Prinzip „Den Leuten auf’s Maul schauen“ in der modernen Welt erfolreich umzusetzen.
Zudem verwies die Theologin auf die provokative Äußerung des EU-Kommissars Günther Oettinger im Zusammenhang mit einem demokratischen Diskurs über das Ceta-Abkommen mit Kanada, ob „wir jetzt auch noch den Kirchengemeinderat von Biberach befragen sollen“. Das tat dann tatsächlich das Nachrichtenportal der „Süddeutschen Zeitung“ und erhielt bemerkenswerte Antworten. ++ (re/mgn/31.10.16 – 297)
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Kirchen genauso gesellschaftsrelevant wie Sportvereine
Magdeburg, 11. März 2016 (ADN). Die Evangelische Kirche hat viel mehr Mitglieder als alle Sportvereine. Diesen äußerst gewagten Vergleich zog die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, Ilse Junkermann, am Mittwoch in der Radiosendung MDR aktuell. Sie versuchte damit die ungeheuren staatlichen Geldzuwendungen zugunsten der Kirchen allgemein und zum Reformationsjubiläum 2017 im Besonderen rechtfertigen. Um die 500. Wiederkehr des Thesenanschlags an der Schloßkirche zu Wittenberg zu feiern, wird es im nächsten Jahr acht Kirchentage geben. Davon finden allein vier auf dem Territorium Sachsen-Anhalts statt. Nach Auffassung von Junkermann sind das keine innerkirchlichen Veranstaltungen, sondern haben höchste höchste öffentliche und gesellschaftliche Relevanz. Der öffentliche Dialog mit den Bürgern stünde im Vordergrund und sei angesichts zweier deutscher Diktaturen nötiger denn je. So wie der Sport der körperlichen Ertüchtigung diene, sorge die Religion für geistige Erbauung.
Hintergrund des Rundfunkfunk-Interviews war der Tatbestand, dass in Sachsen-Anhalt nur 15 Prozent der Bevölkerung zur evangelischen Kirche gehören und demzufolge rund 80 Prozent der 4,7 Millionen Euro teuren Kirchentage aus Steuermitteln bestritten werden. Junkermann sprach sich zudem für eine staatliche Finanzierung muslimischer Gemeinden in Deutschland aus. ++ (re/mgn/11.05.16 – 125)
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Henneberger Grafen gehörten zu Schlüsselfiguren der Reformation
Schleusingen, 5. März 2016 (ADN). Eine äußerst nachgefragte Neuauflage der „Genealogie der Grafen von Henneberg“ wurde am Sonnabend in Kloster Veßra bei Schleusingen vorgestellt. Die Sonderveröffentlichung des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins (HFG) enthält neu aufgefundene Daten zu einzelnen Personen des Adelsgeschlechts, das im deutschen Mittelalter in der Zeit von 11. bis bis 16. Jahrhunderts eine bedeutende politische Macht verkörperte. Der Historiker und Autor der Publikation Heinrich Wagner teilte während seines Festvortrags in einem vollbesetzten Saal des ehemaligen hennebergischen Hausklosters des Prämonstratenstifts Veßra mit, dass unter Mithilfe zahlreicher Archive, Museen und anderen Einrichtungen im In- und Ausland ein sehr informatives, reich bebildertes und tiefgründiges Werk zustande gekommen ist. Erste Planungen und Entwürfe zu dem Kompendium, das Auskunft über mehr als 200 Personen innerhalb von 500 Jahren gibt, stammen nach den Worten von Wagner aus dem Jahr 1996.
Trotz erheblicher Gebietsverluste waren die Henneberger, deren Stammsitz nahe der südthüringischen Stadt Meiningen lag, die größte weltliche Macht im Fränkischen Reichskreis. 1337 fungierte Berthold IV. als Berater von drei Kaisern auf der Bertholsburg. Die Grafschaft bewegte sich dauerhaft im Konfliktbereich mittel- und süddeutscher Herrschaften. Dadurch wurde schließlich Wilhelm VI. von Henneberg-Schleusingen zur Durchsetzung der Reformation im 16. Jahrhundert gezwungen. Der am 1. September 1554 geschlossene „Kahlaer Vertrag“ sah eine Erbverbrüderung mit den Wettinern vor. Diese Übernahme Hennebergs durch Sachsen bei Ableben der Henneberger Linie trat im Jahre 1583 mit dem Tod des letzten Fürstgrafen Georg Ernst ein. Den Ernestinern (Weimar/Gotha) standen sieben Zwöftel und den Albertinern fünf Zwölftel der Erbmasse zu. Weitere Zersplitterungen des hennebergischen Vermögens folgten. Während des Dreißigjährigen Krieges war die Schleusinger Bertholdsburg, die Thüringens älteste fürstliche Residenz ist, häufig Schauplatz wichtiger diplomatischer und politischer Verhandlungen. 1624 traf Graf Tilly als Abgesandter des Herzogs von Bayern zur Fürstenversammlung auf der Festung ein. Im Jahr 1631 verhandelte König Gustav Aolf von Schweden nach der Schlacht bei Breitenfeld auf der Schleusinger Bertholdsburg mit seinem militärischen Hauptgegner Wallenstein. Heute zeugen vor allem zahlreiche, teilweise verfallene Burg- und Schlossanlagen im fränkisch-thüringischen Raum von der einstigen Machtfülle der Henneberger Grafen. Dazu zählen die Bertholdsburg in Schleusingen und die „Schlösser“ Aschach un Ebenhausen. ++ (he/mgn/0503.16 – 065)
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Irrweg der evangelischen Theologie – Deutsche Christen waren Gegner der Weimarer Republik
Leipzig, 14. November 2015 (ADN). Die Gegnerschaft zum neuen Parlamentarismus der Weimarer Republik und der Machtverlust der jeweiligen Landesfürsten, die bis 1919 gleichzeitig auch die Oberhäupter der evangelischen Landeskirchen in Deutschland waren, bereiteten den Boden für die Bewegung Deutscher Christen (DC). Wie der Kirchenhistoriker, Prof. Klaus Fitschen, am Freitagabend in Leipzig weiter ausführt, bekam die insbesondere in Thüringen sehr früh und massiv einsetzende neue Denkrichtung in der gesamten protestantischen Kirche Deutschlands vor genau 82 Jahren einen entscheidenden Impuls. Am 13. November 1933 wurde nämlich mit einer großen Propagandashow im Berliner Sportpalast die zweite deutsche Reformation angekündigt. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sollten der christlichen Lehre die jüdischen Wurzeln abgesprochen und entzogen werden. Um eine umfassende Germanisierung des christlichen Glaubens und der Theologie voranzutreiben und wissenschaftlich zu untermauern, wurde später Ende der 30er Jahre sogar ein „Entjudungsinstitut“ gegründet und in der thüringischen Stadt Eisenach installiert.
Zunächst aber bedienten sich die Deutschen Christen wesentlicher Inhalte aus dem Programm der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP) von 1920 wie des schwammigen Begriffs des „positiven Christentums“, um die evangelische Kirche in die ideologische Spur der neuen Machthaber zu setzen und gleichzuschalten. Eine Schlüsselmaßnahme war dabei die Übernahme des sogenannten Arierparagraphen der Nationalsozialisten in die autonome Gesetzgebung der selbstverwalteten Kirchen. Damit wurde der Wechsel von einer Religion in eine andere entwertet und delegitimiert. „Juden blieben Juden, auch wenn sie sich taufen ließen“, so kennzeichnet Fitschen das hinterhältige Vorgehen. Da seinerzeit Kaiser und Könige als Führungsfiguren verschwunden waren, sollten außerdem neue Hierarchien eingerichtet werden, beispielsweise ein Reichsbischof. In der Person von Ludwig Müller trat ein solcher sogar auf die konfessionelle und politische Bühne, blieb letztlich jedoch weitgehend ohne größeren Einfluss. Allerdings stieß die DC-Anhängerschaft vor allem in Württemberg, Bayern und Hannover auf erheblichen Widerstand bei den Kirchenrepräsentanten, die dann den Pfarrernotbund bildeten und sich in der „Bekennenden Kirche“ zusammenfanden. Zudem wuchsen bei den Deutschen Christen die Reibungen und Auffassungsunterschiede untereinander, bevor mit dem Ende des Zweiten Weltkrieg im Jahr 1945 das konfessionelle DC-Hilfskommando mit den Nazis zusammen von der Bildfläche verschwand. Dennoch waberte das Gedankengut im Untergrund der Nachkriegszeit und der beiden deutschen Teilstaaten weiter. Einige derartige bis in die Gegenwart lebendig gebliebene Phänomene erwähnte Theologieprofessor Fitschen, der das Institut für Kirchengeschichte der Universität Leipzig leitet. So fänden damals sehr populäre und massenhaft verwendete Begriffsschemata wie Volkstum und Rechristianisierung bemerkenswerte Spiegelbilder in der Wortwahl heutiger Protestbewegungen wie Pegida und Legida. ++ (re/mgn/14.11.15 – 309)
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