Innenminister setzt „Städtische Zeitung“ juristisch unter Druck

Magdeburg, 1. April 2019 (ADN). Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht geht mit juristischen Mitteln gegen ein kleines Online-Medium vor. Die lokal auf Stadt und Region Halle an der Saale konzentrierte „Städtische Zeitung“ (StäZ) sieht durch das rigide Vorgehen des Ministers ihre Existenz bedroht, wie ihr Redakteur Felix Knothe gegenüber der Zeitung „junge Welt“ (jW) am Montag mitteilt. „Der Minister hat uns öffentlich eine Straftat vorgeworfen“, so Knothe. Das sei ehrverletzend, geschäftsschädigend und vorverurteilend. Er sei erschrocken, „mit welcher Härte hier gegen ein kleines Medienportal vorgegangen wird.“ In einer Pressemitteilung soll Stahlknechts Ministerium StäZ-Reporter der „wahrheitswidrigen Berichterstattung“ bezichtigt haben. Der Innenminister habe „Strafanzeige wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung“ gestellt. Er lasse einen Medienanwalt prüfen, ob zivil- und medienrechtliche Ansprüche entstanden sind. Der StäZ hat der CDU-Landespolitiker eine Gegendarstellung übermittelt, die das Portal auch umgehend veröffentlicht hat.

Hintergrund der Auseinandersetzungen ist ein Bericht der StäZ über ein Disziplinarverfahren gegen den CDU- Bürgermeister der Saalekreisgemeinde Teutschenthal, Ralf Wunschinski, der wegen zahlreicher Rechtsverstöße in der Kritik steht. Vor einem Monat sollte im Gemeinderat über ein Abwahlverfahren gegen Wuschinski abgestimmt werden. Nicht alle waren damit einverstanden. Für Wuschinski machte sich sein Parteikollege, Frank Bommersbach, stark. Er ist Mitglied im Magdeburger Landtag und im Kreistag dew Saalekreises. Er soll einige Gemeinderäte angestiftet haben, nicht zu der Sitzung zu erscheinen, um Mehrheiten im Abwahlverfahren zu verhindern. Das bestätigte ein Gemeinderat gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Er hat mich mehrfach angerufen und gebeten, morgen nicht zu erscheinen“. Am 27. Februar hatte dazu die StäZ einen Beitrag unter der Überschrift „Stahlknecht lässt offenbar für Wuschinski die Muskeln spielen“. Die StäZ-Journalisten, die ihren Report als zulässige Verdachtsberichterstattung einstufen, wehren sich gegen die Unterstellungen Stahlknechts und klagen gegen ihn auf Unterlassung.

  „Vorwürfe, wonach Innenminister Stahlknecht seine Parteinetzwerke gegen politische Gegner spielen lässt, sind nicht neu“, schreibt jW. In der Bördekreisstadt Haldensleben arbeite ein Teil des Stadtrates auf eine Amtsenthebung der seit rund zwei Jahren suspendierten parteilosen Bürgermeisterin Regina Blenkle hin. Eine Initiative, die sich für ihre Rückkehr einsetzt, warf Stahlknecht als früherem CDU-Bördekreischef mehrfach politische Einflussnahme vor. Das Disziplinarverfahren werde durch eine Mitarbeiterin seines Hauses durch das Konstruieren von Vorwürfen verschleppt. ++ (me/mgn/01.04.19 – 090)

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Deutschlands mediale Unabhängigkeit und Freiheit fällt in Tristesse

Berlin/Leipzig, 26. April 2017 (ADN). Die in der Bundesrepublik Deutschland so hoch gepriesene Unabhängigkeit und Freiheit der Presse trübt sich spürbar ein und fällt in Tristesse. Der am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Jahresbericht der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ beschreibt in einer „Nahaufnahme Deutschland“ den Niedergang teilweise sehr deutlich und benennt einige Beispiele aus dem Untersuchungszeitraum von Januar 2016 bis März 2017. Zu registrieren sei erneut eine erschreckend hohe Zahl von tätlichen, Angriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen Journalisten. In München wurde ein Chemnitzer Reporter, der über den NSU-Prozess berichtete, mit der Mitteilung bedroht, man kenne seine Privatadresse. Immer wieder geraten Journalisten ins Visier von Strafverfolgungsbehörden. Damit wird insbesondere die Tätigkeit investigativ arbeitender Journalisten erschwert. So initiierte im April 2016 die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen wegen des Verdachts auf Veröffentlichung von Gerichtsakten gegen den Filmemacher Daniel Harrich  und mehrere Mitwirkende an einer ARD-Dokumentation. Die Journalisten hatten ungenehmigte Waffenexporte des deutschen Waffenfirma Heckler & Koch nach Mexiko aufgedeckt. Von Justiz und Nachrichtendiensten werden ohne gesetzliche Grundlage Standortdaten erfasst. So können auf Knopfdruck verdächtige Metadaten mit Gesprächsmitschnitten verknüpft werden.

Zur Misere gehören zunehmende Schleichwerbung und abnehmende Vielfalt. Der Strukturwandel führt nicht nur zu Verlagskonzentrationen und -fusionen, sondern sogar zum Verschmelzen von Redaktionen. Der Prozess reicht bis tief in die Regional- und Lokalberichterstattung. Eines der signifikantesten Beispiele ist die 2015 gegründete Berliner Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe, die zwölf Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 1,4 Millionen verkauften Exemplaren und einer starken Präsenz im Ruhrgebiet, in Thüringen, Hamburg und Berlin versorgt. Exemplarisch für den Verzicht auf Facettenreichtum hin zu Einheitsberichterstattung ist weiterhin das Redaktionsnetzwerk Deutschland, das 30 Tageszeitungen mit überregionalen Inhalten beliefert.

Markant sind auch die Versuche politischer Einflussnahme und der Ausschluss unliebsamer Journalisten. Die Krise des Journalismus hat sogar die Ausbildungssphäre erfasst. Gerade informierte die Universität Leipzig, dass der traditionsreiche Studiengang Journalistik seine Attraktivität einbüßt. Die Bewerberzahlen seien drastisch gesunken. Der Lagebericht der zuständigen Fakultät dokumentiere Unzufriedenheit in Lehre und Studium. Um den Studiengang zu reformieren, soll die Einschreibung für ein Jahr ausgesetzt werden. Ab 2018 gebe es ein Angebot in neuer Form. ++ (me/mgn/26.04.17 – 116)

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