Kolonialer Kultur-Nachlass im Auf- und DDR-Erbe im Abstieg

Berlin, 28. April 2018 (ADN). „Das Humboldt-Forum im Stadtschloss wächst und gedeiht. Beide leben von einer großartigen Geistesgeschichte.“ So lobt Kulturstaatsministerin Monika Grütters den Wiederaufbau der kaiserlichen Repräsentanz Deutschlands im Berliner Stadtzentrum in einem Interview am Sonnabend mit der Zeitung „Der Tagesspiegel“. Bevor der wilhelminische Prachtbau rekonstruiert werden konnte, wurde an derselben Stelle der in der DDR erbaute Palast der Republik abgerissen und liquidiert. In ihm hatte sich die von den DDR-Bürgern seinerzeit frei gewählte Volkskammer konstituiert. Nun wird sich das Humboldtforum mit dem kolonialen Nachlass des monarchistischen Deutschland beschäftigen.

Wie „Der Tagesspiegel“ in derselben Ausgabe wenige Seiten weiter berichtet, wird im östlich gelegenen Berliner Stadteil Marzahn  erneut ein weiterer bedeutender, zu DDR-Zeiten entstandener  Kulturbau demontiert und bis Jahresende vollständig beseitigt. Es handelt sich um das seinerzeit äußerst moderne und beliebte Lichtspieltheater „Sojus“. An seiner Stelle wird ein Privatinvestor einen Supermarkt errichten. Bereits drei Jahre zuvor war in Marzahn ein einmaliger Konzert- und Ausstellungspalast liquidiert. Gegenüber Kulturstaatsministerin Grütters vorgebrachte Bürgerproteste blieben unberücksichtigt. Und das obwohl die Politikerin CDU-Mandatsträgerin für Berlin-Marzahn im Deutschen Bundestag ist und dessen Interessen dort eigentlich vertreten müsste. ++ (ku/mgn/28.04.18 – 118)

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Frankfurt am Main reißt sein Architekturerbe ab und löscht gleichzeitig Geisteshaltungen

Frankfurt am Main, 14. Dezember 2015 (ADN). Während das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main jetzt die Bauten von Ferdinand Kramer (18998-1985) würdigt, werden genau diese Häuser an anderer Stelle in der Stadt mutwillig zerstört. Sie rotten vor sich hin oder sind bereits in aller Heimlichkeit abgerissen worden. Wie Laura Weissmüller in der Montag-Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) weiter schreibt, müsste man eigentlich stolz sein auf dieses Stück Geschichte. Es sei ein Skandal und passe zu dieser Stadt. 

Die Autorin kritisiert besonders scharf: „Zentrale Bauten von Kramers Campus Bockenheim stehen noch. Doch ihr erbärmlicher Zustand macht es heute fast unmöglich, ihren Wert zu erkennen. Ihr sichtbarer Verfall ist herzzerreißend. Von der Fassade der Universitätsbibliothek, diesem urdemokratischen Plädoyer für ein gemeinsames Studieren, Lernen und Leben, mussten Betonstücke aus Sicherheitsgründen herausgeschlagen werden. Nicht um das Gebäude zu sichern, sondern damit kein Benutzer um sein Leben fürchten muss, wenn er die Bibliothek betritt. Das Studentenwohnheim lässt sich selbst mit viel Fantasie nicht mehr mit den Fotos in Verbindung bringen, die bei der Eröffnung 1956 geschossen wurden.“ Das Philosophikum schließlich, 1958 bis 1960 als erste außen liegende Stahlskelettkonstruktion in Deutschland errichtet und damit eine industrielle Revolution des Bauens, werde gerade so umgewandelt, dass von der Originalarchitektur nicht mehr viel übrig bleibt – und von seinem Ursprungsgeist sowieso nicht. Kramer, dem es immer darum gegangen sei, so günstig wie möglich zu bauen, damit sich auch ärmere Menschen modernen Komfort leisten konnten, hätte von Luxus-Studentenappartements, die monatlich 500 Euro kosten sollen, nichts gehalten. Er habe bei der Eröffnung seines Studentenheims den Berliner Maler Heinrich Zille mit dem Satz zitiert: „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten, wie mit einer Axt.“ Auf Kramers Bauten umgemünzt, müsste dieser Spruch lauten: Man kann ein Gebäude durch Nichtstun genauso zerstören wie mit der Abrissbirne. Und eine Geisteshaltung gleich mit.  ++ (ar/mgn/14.12.15 –  339)

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