Heimat immer facettenreicher

Berlin, 23. März 2019 (ADN). Der Heimatbegriff gerät weiter in die deutungshoheitliche Mangel und wird immer facettenreicher. Einen neuen Versuch unternimmt der Publizist Michael Jürgs in der Zeitung „Der Tagesspiegel“ am Sonnabend.  Im Mittelpunkt seiner Betrachtungen steht die „Heimat Europa“. Darin wird den Ostdeutschen ein eigener Abschnitt gewidmet: Dort heißt es: „Parallel zur Globalisierung wuchs, vergleichbar mit kommunizierenden Röhren, die Sehnsucht nach Heimat.  Vor allem in den neuen Bundesländern. Dort war Vollbeschäftigung, auch wenn es, mangels tatsächlicher Arbeit, nur eine scheinbare gewesen ist, die eigentliche Identität. Wahre Heimat blühte nur in stasifreien Nischen der Datschen unter dem Motto: Freitag ab eins macht jeder seins. Die anbrechende Massenarbeitslosigkeit löschte diese Identität stiftende gemeinsame Heimat. Die Folge war gefühlte Heimatlosigkeit. Schuldige wurden gesucht.“ ++ (id/mgn/23.03.19 – 081)

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Frank Richter: Zum Leben gehören auch Verluste

Dresden, 11. März 2019 (ADN). „Die ostdeutsche Gesellschaft kommt aus einer Zeit, in der der Staat eine quasi-religiöse Orientierung gab“. Das erklärte der Ex-Bürgerrechtler und Theologe Frank Richter am Montag im Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ). Auch wenn diese nicht funktionierte, habe sie dennoch einen konstruierten Sinn gegeben. Heute würden wiederum viele Erwartungen auf die Politik projiziert, die gar nicht einzuhalten sind. Er sehe viele die ihre Verbitterung bei der Politik abladen. Das sei manchmal berechtigt, oft aber nicht. In Wirklichkeit müsse gelernt werden, dass zum Leben auch Verluste gehören. Das gelte auch für Politiker, die meinen, auf jede Frage eine Antwort haben zu müssen.

Der 58 jährige langjährige Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung kandidiert als Parteiloser für die SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen. Kürzlich hat er ein Buch veröffentlicht, das provokativ fragt, ob Sachsen noch zu Deutschland gehört. Seine persönliche Antwort gegenüber der LVZ lautet: „Staatsrechtlich: ja. Kulturell und politisch: naja“. er sei von seiner Grundhaltung her für ein liberales, vielfältiges und solidarisches Deutschland. Deshalb könne er die Frage nicht mit einem uneinmgeschränkten Ja beantworten. Aber damit könne er leben und werde weiterhin in Sachsen bleiben. Er halte es für außerordentlich wichtig, dass Fragen nach Identität, Verwurzelung und Zusammengehörigkeit politisch nicht preisgegeben werden. ++ (fr/mgn/11.03.19 – 070)

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Mehrere Tausend „Staatenbündler“ in Österreich

Graz, 23. Dezember 2018 (ADN). Die österreichische Justiz geht davon aus, dass es im Lande mehrere Tausend sogenannte Staatenbündler gibt. Darüber berichtet am Donnerstag die Zeitung „Der Standard“ aus Graz. Dort findet ein Prozess statt, in dem über die Bildung einer staatsfeindlichen Organisation gestritten und verhandelt wird. Die 14 Angeklagten verteidigen sehr vehement ihren Status als „Staatenbündler“, die nach Eigendefinition „wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut“ sind. Alle anderen seien lediglich Personen nach dem Handelsrecht, so äußerte einer der Angeklagten. Seine Person sei „beswchlagnahmt“ worden. Die vom Gericht geschwünschte Person sei im Gericht eigentlich gar nicht anwesend. Er wolle nur als Diplomat und Botschafter des „Staatenbundes“ angesprochen werden. Das sei seine wahre Identität. Der Staat Österreich sei nur ein Geschäftsmodell, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die das allen Österreichern gehörende Vermögen verwaltet. Deshalb brauch auch kein Kredit zurückgezahlt werden, weil das Geld ohnehin Eigentum jedes Staatsbürgers ist. „Aber weil das die heimischen Banken einfach nicht verstehen wollen, kam es auch zu Exekutionen, was in den Augen der Angeklagten glatte Überfälle, ja Raubzüge gewesen seien“, schreibt die Zeitung. 

Die Verantwortliochen für die Exekutionen kamen in den Zeugenstand. Es handelte sich dabei um den Präsidenten des Oberlandesgerichts und mehrere Gerichtsbeamte. Sie hatten vom „Staatenbund“-Botschafter Briefe mit Androhungen von Strafzahlungen erhalten. 400 derartige Schreiben hatten allein in der Steiermark im Jahr 2017 die Gerichte abzuarbeiten. Der Prozess in Graz wird im Januar nächsten Jahres fortgesetzt.  ++ (st/mgn/23.12.18 – 336)

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Heimat als Kristallisationspunkt von Identitätsprozessen

Berlin, 19. November 2018 (ADN). „Offenbar bildet Heimat einen Kristallisationspunkt von Identitätsprozessen, die angesichts von Modernisierung, Krisen und Globalisierung eine stabile Verortung des Individuums anboten und bis heute anbieten.“ So beschreibt Jens Jäger, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Köln, in der Zeitung „Der Tagesspiegel“ am Montag einen gegenwärtig wieder virulent werdenden und immer häufiger erkennbaren Trend, der eigentlich uralt ist. Das Wort „Heimat“ finde sich in je unterschiedlicher Schreibweise bereits in mittel-, alt- und mittelniederdeutschen Sprachquellen. Der ursprüngliche Bedeutungsgehalt lasse sich in etwa mit „Stammsitz“ eingrenzen. Die politische Aufladung des Heimatbegriffs sei in der Hochliteratur erst ab dem 18. Jahrhundert nachweisen. Seit der Aufklärung habe man im deutschen Sprachraum über „Heimat“ und deren Bedeutung für Individuen und Gruppen reflektiert. ++ (pl/mgn/19.11.18 – 303)

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Ungarns Justizminister bezichtigt Westen des geistigen Totalitarismus

Budapest, 11. Oktober 2018 (ADN). „Unsere Weltanschauung ist anders. Wir betonen die Kohäsion der Gesellschaft, unsere historischen Wurzeln, unsere Kultur und nationale Identität. Ungarn vertritt damit Werte, die in Ostmitteleuropa wichtig sind, im Westen aber an Bedeutung verloren haben“. Mit diesen Worten klärt der ungarische Justizminister, Laszlo Trocsanyi, in einem am Donnerstag in der Zeitung „Die Welt“ veröffentlichten Interview über das Auseinanderdriften  grundsätzlicher Gesellschaftsauffassungen zwischen den östlichen und westlichen Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) auf. Im Westen werde – als Folge der Werterevolution der 68er Bewegung – das Individuum vergöttlicht. Ungarn dagegen stelle mit seiner neuen Verfassung von 2011 das Gemeinwesen und die kollektive Identität in den Vordergrund. Da gehe es um das geistige Fundament der Nation. Das habe in Europa eine riesige Diskussion ausgelöst. Die Unterschiede in der Interpretation des Freiheitsbegriffs seien teilweise so groß, dass manchmal gesagt werden muss: Da werden wir uns nicht einigen können. Das sei aber auch gar nicht nötig, denn man müsse voneinander lernen, die Meinung der Anderen zu respektieren. „Wenn eine Ideologie die eigene Sicht den anderen aufzwingt, ist das geistiger Totalitarismus“.

Trocsanyi erläutert das an dem Beispiel der Migration aus Afrika. „Wir waren nie Kolonialmacht und haben auch nicht versucht Demokratie zu exportieren oder andere Staaten zu destabilisieren. Jetzt sehen wir, dass Menschen aus dieser Region nach Westeuropa wollen – nicht etwa zu uns – und dass Westeuropa sie zu uns drängen will, nach dem Prinzip der Solidarität. Unsere Sicht ist, dass hier ein Problem mit uns geteilt werden soll, mit dem wir nichts zu tun haben,“ kritisiert der Justizminister des Balkanlandes. Es gebe verschiedene Arten der Solidarität. In Ungarn studierten auf Staatskosten 6.000 junge Leute aus Afrika, Nahost und anderen fernen Regionen. Außerdem leiste Ungarn Hilfe vor Ort beispielsweise im Libanon und im Irak. Zudem verteidige sein Land auf eigene Kosten seinen Teil der Schengen-Außengrenzen. Auch das sei Solidarität. Ungarn wolle aber nicht gezwungen werden, so zu werden wie die Länder Westeuropas. Dort werde sichtbar, welche Integrationsprobleme entstehen. Ungarn habe eine homogenere Gesllschaft und wolle diese schützen. Auf diese Weise entzünde sich eine Grundsatzdebatte zwischen den Ungarn und den Verfechtern einer „offenen Gesellschaft“ im Westen. Letztere enthalte auch den Multikulturalismus und das Prinzip des Weltbürgers als einzig gutem Bürger. „Wer das will, soll dem folgen – aber nicht von uns fordern, auch so zu werden“, betont der ungarische Spitzenpolitiker. ++ (hu/mgn/11.10.18 — 264)

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Fußball ermöglicht die Restauration der nationalen Identität

Paris, 13. Juni 2018 (ADN). „Der Fußball ist die Sportart der Mondialisierung schlechthin. Sein Paradoxon besteht darin, dass er die Restauration der nationalen Identität ermöglicht, die von den anderen Faktoren der Globalisierung bedroht wird“. Das erklärte der französische Politologe und Sportexperte Pascal Boniface am Mittwoch in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung “ (FAZ). Es handele sich um ein einfaches Spiel, das alle verstehen. Man müsse ein Tor mehr als der Gegner schießen. Fußball könne überall gespielt werden: im Garten, auf der Straße, auf dem Pausenplatz oder am Strand.

Seinen planetarischen Durchbruch verdankt nach Meinung von Boniface diese Sportart dem Fernsehen, das zum globalen Fußballstadion  geworden ist. Dort fänden unbeschränkte Zuschauermassen Platz. In Brasilien hätten mehr als drei Milliarden Menschen die Spiele verfolgt.  ++ (sp/mgn/13.06.18 – 145)

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Forschungsprojekt zu sozialen und religiösen Idenditäten

Leipzig, 23. Februar 2018 (ADN). Die Universitäten Leipzig, Göttingen und Luzern haben von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Schweizerischen Nationalfonds knapp 1,2 Millionen Euro zugesprochen bekommen, um „Soziale Gruppen und religiöse Identitäten in ziviler Gesellschaft “ zu erforschen. Das Verbundprojekt hat dazu für drei Jahre die Förderzusage erhalten, teilt die Universität Leipzig am Freitag mit. Ziel ist, auf der Grundlage breiter empirischer Erhebungen die Zusammenhänge von gesellschaftlichen Vorstellungen sozial erwünschter Religion und bewussten Anpassungen von Immigrantengruppen an solche Vorstellungen zu analysieren. Damit wollen die Forscher Potentiale identitäts- und wertgeleiteter gesellschaftlicher Integration in der Gegenwart bestimmen.

Der an dem Vorhaben beteiligte Leipziger Theologieprofessor Gert Pickel plant dazu eine Bevölkerungsumfrage in Deutschland. Dabei sollen Selbst- und Fremdzuschreibungen sozialer und religiöser Identitäten erfasst werden. Auf dieser Basis wollen die Wissenschaftler den Einfluss dieser Identitäten auf Integrations- und Konfliktpotentiale in Deutschland und in der Schweiz analysieren. Es kommt ein neu entwickeltes Instrument für standardisierte Befragungen zum Einsatz, das die Erfassung von multiplen Identitäten auf repräsentativer Basis und im Gesamtgesellschaftsvergleich erlaubt. Ein Untersuchungsgegenstand ist auch die Frage, ob die Ostdeutschen hinsichtlich der Identität anders als die Westdeutschen oder die Westschweizer sind. ++ (id/mgn/23.02.18 – 054)

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Petition sorbischer Kultur-Rebellen an Europäisches Parlament übergeben

Cottbus/Straßburg, 16. Februar 2018 (ADN). Die Initiative zum Erhalt des Sorbisch-Unterrichts in der brandenburgischen Niederlausitz mit ihrer Inspiratorin Kathleen Komolka an der Spitze übergab am Freitag im Europäischen Parlament eine Petition, die von 34.000 Unterstützern unterzeichnet worden ist. Darin geht es um das regelmäßige Unterrichten an den Schulen in sorbischer Sprache auf dem Gebiet des Bundeslandes Brandenburg. Derzeit wird noch an 23 Schulen in der Niederlausitz Sorbischunterricht angeboten. Das gerät nunmehr in Gefahr, weil das Landesbildungsministerium Mindestschranken festlegen will. Zunächst sollte in einer entsprechenden Verordnung fixiert werden, dass der Unterricht dieser slawischen Sprache erst ab einer Schülerzahl von zwölf gewährleistet wird. Auf lautstarke Proteste hin hatte dann der seinerzeit zuständige Landesminister Günter Baaske Zugeständnisse gemacht und wollte diese Schranke auf fünf Schüler herabsetzen. Seine Amtsnachfolgerin Britta Ernst tendiert nun wiederum zu der ursprünglichen weit höheren Marke. Das alles spielt sich ab vor dem Hintergrund, dass die Verfassung des Landes Brandenburg den Sorben eine umfassende Sicherung und Förderung ihrer Kultur und Identität gewährleistet.

Die sorbische Minderheit, die neben Brandenburg auch in Teilen Sachsens ansässig ist, befürchtet aufgrund vergangener und aktueller Ereignisse den allmählichen und lautlosen Niedergang und Tod ihrer Traditionen und kulturellen Gepflogenheiten einschließlich der Muttersprache. Der Grundstein für diese diskriminierende Behandlung hatte bereits in grundlegende Vertragsdokumente der deutschen Wiedervereinigung gefunden. So mussten sich die Sorben anstatt eines angemessenen Eintrags im Grundgesetz mit einer Denkschrift zum Einigungsvertrag zufrieden geben. In einer Protokollnotiz zum Einigungsvertrag heißt es lediglich, dass das Sorbentum und die sorbische Kultur frei sind.

Inwischen haben die sorbischen Kultur-Rebellen weitere vielseitige Unterstützung erhalten, beispielsweise von dem sogenanten Sorbenrat. Er ist in der Landeshauptstadt Potsdam dem Parlament beigeordnet. Zudem fordert die Stadt Cottbus, den Zugang eines jeden Schülers zum Sorbisch/Wendisch-Unterricht zu sichern. Kommentare aus der Bevölkerung sind etwas drastischer formuliert. Nach Auffassung von Heidrun Fischer kann es nicht sein, „dass man in den Schulen Türkisch-Unterricht einrichtet, während man Sprachen wie Sorbisch/Wendisch dem Untergang weiht“. Karl Mühlbauer fragt noch etwas zugespitzter, für was das in der Groko vorgesehene Heimatministerium unter Leitung von Horst Seehofer zuständig sein soll. „Für die schon länger Dagewesenen oder für die Invasoren ?“ ++ (li/mgn/16.02.18 – 047)

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Ex-DDR-Bürger bis Ende ihres Lebens Deutsche zweiter Klasse

Berlin, 26. Dezember 2017 (ADN). Über Zugangsberechtigung und Diskriminierungserfahrung muss dringend gesprochen werden. Das erklärt der Intendant der Berliner Festspiele, Thomas Oberender, am Dienstag im Deutschlandfunk. DDR-Bürger hätten 1989 die Mauer zum Einsturz gebracht. Oberender bringt sein Unbehagen über den Umgang mit der Vergangenheit der DDR-Bürger zum Ausdruck.

Der Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche Dresden, Frank Richter, spricht über Marginalisierungserfahrungen, die viele Menschen gemacht haben. Diese Art, Geschichte zu betrachten, führe zu ihrem Verschwinden, statt zu ihrem Erinnern. Über Identität zu reden, heiße immer, über die Geschichte und die Herkunft zu reden. Nur so könne die Herkunft eines Menschen begriffen werden. Es handele sich um ganz andere Geschichten als die der Menschen im Westen. „Es sind die Geschichten der Kränkungen und der Demütigungen, die mit dem Gefühl zusammenhängen, wir werden wohl bis zum Ende unseres Lebens Deutsche zweiter Klasse sein.“ Dieses Gefühl könnten Soziologen durch Statistiken untermauern. Bundesminister und Abteilungsleiter in Bundesministerien seien fast ausschließlich westdeutsch sozialisiert.  Ähnlich sehe es in den Ländern der ehemaligen DDR aus. Auch heute noch sei dort ein großer Teil der Funktionseliten in Politik, Verwaltung und Wirtschaft westdeutsch sozialisiert.

Richter verdeutlicht seine Ansicht überzeugend anhand eines Beispiels: „Was wäre in Bayern los, wenn 80 Prozent der Funktionseliten aus Menschen bestünden, die aus Schleswig-Holstein eingewandert sind. Alles tolle S chleswig-Holsteiner, trotzdem würden die Bayern so ein Grundgefühl nicht loswerden, dass diese Ordnung nicht ganz die eigene ist, weil diese Funktionsträger dieser Ordnung von woanders herkommen oder mehrheitlich kommen.“ Er plädiere dafür, diese Überschichtung der ostdeutschen Gesellschaft als Sachverhalt möglichst nüchtern zur Kenntnis zu nehmen und ein Personalisieren und Moralisieren zu vermeiden. Die Ankunft vieler Flüchtlinge im Jahr 2015 habe bei manchen Ostdeutschen den Eindruck erweckt, jetzt in die Zange genommen zu werden und vom eigenen bleibe nichts mehr übrig. ++ (od/mgn/26.12.17 – 371)

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Westdeutscher Kultur-Kolonialismus in Ostdeutschland

Berlin, 1. November 2017 (ADN). Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Thomas Krüger, kritisiert in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ am Mittwoch den Zustand des kulturellen Kolonialismus in Ostdeutschland durch westdeutsche Eliten. Der aus Thüringen stammende Krüger bringt dabei einen zweiten Begriff ins Spiel – den der kulturellen Hegemonie. Mit dieser Kategorie beschreibe der italienische Philosoph Antonio Gramsci subtile Herrschaftspraktiken. „Wer die Interpretationshoheit erlangt, dem fällt die Legitimation zum Repräsentieren in den Schoß. Das sind überwiegend die Westdeutschen. Der Anteil der Ostdeutschen und ihre Identität werden dabei häufig überlagert“, so Krüger. Er nannte ein Beispiel aus eigenem Erleben. Als er im Jahr 2000 nach Bonn wechselte, um seine Tätigkeit an der BpB-Spitze zu übernehmen, verdoppelte sich gleichzeitig die ostdeutsche Belegschaft – aus einem wurden zwei von insgesamt 200 Mitarbeitern. 

Der 58jährige einstige DDR-Bürgerechtler und ehemalige Berliner Senator für Familie und Jugend äußerte sich zudem zur wachsenden Entfremdung der Ostdeutschen von den staatlichen Institutionen und der Demokratie schlechthin. „Institutionen entwickeln ihre eigene Kraft, und du bleibst irgendwie nicht mehr du selbst. Aber erstens tur das gar nicht mehr so weh. Und zweitens behaupte ich, dass sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte die Institutionen beeinflussen können. Das Problem ist aber, dass das von außen kaum wahrgenommen wird. Der Abstand des Blicks von außen vergrößert sich nochmal, wenn die Unterrepräsentation einer bestimmten Gruppe hinzutritt. es fehlen einfach die Übersetzer kultureller Differenzen. Eine positive Aneignung von Institutionen wird schwieriger. Das trifft übrigens auf Zuwanderergruppen genauso zu.“ ++ (od/mgn/01.11.17 – 305)

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