Schwarzfahrer müssen in Thüringen nicht mehr in Gefängnis

Weimar, 30. Januar 2018 (ADN). Der Deutsche Richterbund sympathisiert stark mit den Überlegungen, dass über Schwarzfahrer keine Ersatzfreiheitsstrafen mehr verhängt werden. Nach Auffassung des Vorsitzenden des Thüringer Landesverbandes, Holger Pröbstel, verursacht Schwarzfahren zwar großen finanziellen Schaden, jedoch binde es  auch immense personelle Ressourcen und kostet den Steuerzahler viel Geld. Das sagte er der „Thüringischen Landeszeitung“ (TLZ), die darüber am Dienstag ausführlich berichtet. „Wir sind quasi das Inkassobüro der Verkehrsbetriebe“, so der Jurist. Dabei handele es sich eigentlich um Bagatellkriminalität. Würden die aktuellen Regelungen überarbeitet, führe das zu keinem großen Bedauern bei Staatsanwälten und Richtern. Schwarzfahren solle als einfache Ordnungswidrigkeit eingestuft werden.

Ob das tatsächlich geschieht, steht allerdings noch längst nicht fest. Nach Auffassung des Thüringer Justizministeriums ist die Meinungsbildung zur Sinnhaftigkeit kurzzeitiger Ersatzfreiheitsstrafen noch nicht abgeschlossen. Die damit zusammenhängenden Fragen würden derzeit zwischen den Justizministern mehrerer Länder mit dem Bundesjustiministerium erörtert. Im Herbst werde eine Arbeitsgruppe dazu Ergebnisse vorlegen. ++ (ju/mgn/30.01.18 – 030)

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Überlastete Gerichte verfolgen Schwarzfahrer statt Verbrecher – Dreifaches Staatsversagen bei Migration

Berlin, 18. August 2017 (ADN). Überlastete Gerichte verfolgen in Deutschland Schwarzfahrer statt Verbrecher. Das resümiert das „Handelsblatt“ in seiner aktuellen Wochenendausgabe über ein Buch, dessen Verfasser kein geringerer als der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes ist. Jens Gnisa hinterlasse mit dem Werk „Das Ende der Gerechtigkeit“ den Eindruck, das von der deutschen Justiz wenig zu erwarten ist. Während jeder Falschparker konsequent verfolgt werde, gingen ein paar Straßen weiter die Einbrecher ein und aus. Der Staat breche sogar die eigenen Gesetze, wenn er wie ein Hehler gestohlene Steuerdateien kauft. Bei einem Drittel der Delikte werde das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Bei „Bagatellen“ wie Fahrraddiebstahl blieben Ermittlungen oft auf Anweisung von oben ganz aus. Der Rechtsstaat ziehe sich auch der Fläche zurück. 1994 habe es noch 717 Amtsgerichte gegeben. Jetzt seien es nur noch 639. 

In der Flüchtlingspolitik bemängelt Gnisa dreifaches Staatsversagen. Es reiche von der weitgehend unkontrollierten Einreise Hundertausender über die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht bis zur inkonsequenten Abschiebehaft oder Pannen bei der Beobachtung terrorverdächtiger Asylbewerber.

Als Gnisas Hauptbotschaft filtert die Zeitung heraus: Nicht die Gesetze sind das Problem, sondern der Vollzug. Richter und Staatsanwälte bräuchten eine angemessene Ausstattung und müssten von überflüssigen Aufgaben entlastet werden. So lasse der Staat Unmengen an Bußgeldverfahren bearbeiten, obwohl für wichtige Fälle kaum noch Zeit bleibe. Kommunen, die Bußgelder für zu schnelles Fahren als fixe Größe im Etat einplanten, halsten der Justiz unnötige Arbeit auf. Gnisa schlussfolgert: 200 Millionen Euro für 2.000 zusätzliche Richter und Staatsanwälte sind nötig.++ (ju/mgn/18.08.17 – 231)

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Der Justiz gehen die Kläger aus – Erschwerter Zugang der Bürger zu Gerichten

Frankfurt am Main, 4. August 2017 (ADN). „Wir brauchen empirisch belastbare Daten, welche Hindernisse für einen Zugang der Bürger zu Rechtsanwälten und Gerichten bestehen“. Diesen entlarvenden Satz zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) am Freitag aus einem gemeinsamen Empfehlungsdokument des Deutschen Richterbundes und des Deutschen Anwaltvereins zur Bundestagswahl. Das der FAZ vorliegende Schriftstück konstatiert „deutlich sinkende Eingangszahlen bei den Zivilgerichten“. Das sei ein „starker Hinweis darauf, das die staatliche Rechtspflege an Bedeutung verliert.“ Die Präsidenten beider Vereinigungen, Jens Gnisa und Ulrich Schellenberg, äußern sich in einem FAZ-Gespräch über Hintergründe und Ursachen. Der Zugang der Bürger und Unternehmen zum Recht sei ihr zentrales Anliegen. Das sei „elementar für den inneren Frieden“.

„Es ist eine alte Kritik, dass der Gesetzgeber zu viele Gesetze produziert, insbesondere, dass das Strafrecht nicht mehr letztes Mittel ist, sondern ‚immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens‘ regeln soll“, stellen Anwaltverein und Richterbund fest und formulieren weiter: „Neben etwaigen Gesetzesverschärfungen gilt es in der nächsten Legislaturperiode insbesondere zu prüfen, wo Straftatbestände wieder gestrichen oder begrenzt werden können, weil sie sich nicht bewährt haben.“ Justiz ist nicht allein Strafjustiz, so Schellenberg. Das Zivilrecht müsse wieder stärker in den Blick genommen werden. Eine einseitige Konzentration auf Strafrecht sei abwegig. Das Zivilrecht betreffe Bürger und Unternehmen zahlenmäßig weit stärker als das Strafrecht.

Die FAZ registriert einen Paradigmenwechsel. „Wurde früher oft beklagt, die Bürger würden auch wegen Nichtigkeiten vor Gericht ziehen, so fehlen der Justiz  demnächst offenbar die Kläger. Und wo kein Kläger, da kein Richter. Setzt sich dieser Trend fort, dürfte der Ruf nach mehr Personal immer schwerer zu begründen sein.“ ++ (ju/mgn/04.08.17 – 217)

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Berufsrichter drängen Schöffen, ihrem Urteil zuzustimmen

Leipzig, 5. September 2016 (ADN). Über Spannungen  innerhalb der Justiz berichtet der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) in seinem aktuellen Informationsprogramm am Montag. Es geht insbesondere um das Verhältnis zwischen Berufsrichtern und Schöffen, das eigentlich gleichberechtigt sein soll, jedoch in bisher nicht bekanntem Ausmaß von autoritären und hierarchischen Tendenzen geprägt sein könnte. Eigentlich sind Profi- und Laienrichter einander gegenüber in ihrer Entscheidungsfreiheit völlig unabhängig und zueinander gleichgestellt. Ein jetzt durch den MDR bekannt gewordenes Beispiel offenbart nunmehr das Gegenteil. Ein Hörer des Rundfunkprogramms, der als Schöffe am Landgericht Leipzig tätig war, berichtete über gravierende Beeinflussungsversuche seitens eines zum Gremium gehörenden professionellen Juristen. Er habe erlebt, wie ein Richter ihn bei der Beratung stark bedrängte, seinem Urteil zuzustimmen. Der vom Deutschen Richterbund und dem Schöffenbund als absoluter Einzelfall eingestufte Vorgang, dürfte jedoch nicht so singular sein. Eine erhebliche Dunkelziffer ist zu befürchten. In der Kommentarspalte des Senders meldeten sich nämlich unmittelbar nach der Ausstrahlung des Hörfunkbeitrags Justizkritiker und betroffene Schöffen. Sie schilderten ähnliche Vorfälle von Beeinflussung. Eine ebenfalls als Schöffin am Landgericht Leipzig eingesetzte Frau bestätigte, dass sie als ehrenamtliche Richterin fallweise keine Rolle spielte oder sich als Statistin vorkam. Ein anderer Kommentator schreibt: „Berufsrichter kennen § 196 GVG nicht oder wollen ihn nicht kennen. Ich habe erlebt, dass unsere unterschiedlichen Voten als Probeabstimmung deklariert wurden und solange nachberaten wurden, bis das Wunschergebnis des Vorsitzenden erreicht wurde. Auch wurde mir versagt, das Urteil gemäß § 275 Abs. 2 StPO mit zu unterschreiben.“

Die Schöffen und ehrenamtlichen Richter repräsentieren eigentlich die Stimme des Volkes vor Gericht. Sie sollen für eine lebensnahe Rechtsprechung sorgen und das Vertrauen der Bürger in die Justiz stärken. Sie haben keine Einsicht in die Gerichtsakten, sondern fällen ihr Urteil nur aufgrund des gesprochenen Worts im Prozess und das in der Regel ohne juristische Kenntnisse. Nach der Verhandlung zieht sich der Schöffe mit dem Berufsrichter zur Beratung über das Urteil zurück. Dabei soll der Richter die rechtliche Lage erläutern. Dass dabei Beratung und Beeinflussung ein Spannungsverhältnis bilden, gibt gegenüber dem MDR der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, zu. An den Gerichten Mitteldeutschlands sind derzeit 8.500 Schöffen im Einsatz. ++ (ju/mgn/05.09.16 – 241)

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Neuer Richterbund-Chef befürchtet „Erosion des Rechts“

Bielefeld, 7. Juni 2016 (ADN). Der kürzlich zum neuen Vorsitzenden des Deutschen Richterbunds gewählte Bielefelder Amtsgerichtsdirektor Jens Gnisa befürchtet  eine „Erosion des Rechts“. Das erklärte er in einem am Dienstag vom „Handelsblatt“ veröffentlichten Interview, das am Rande des Deutschen Anwaltstages geführt worden ist. Es sei ein größerer Bogen zu schlagen und zu hinterfragen, ob der Wert des Rechts in der Gesellschaft richtig gesehen wird. Es gehe um zunehmende Wut, Empörung, Emotion. Gnisa versucht seine Auffassung anhand eines Beispiels zu erklären. „Ein Bauhandwerker reicht Klage wegen ausstehender Zahlungen ein. Die klingt für den Richter zunächst plausibel. Dann kommt die Klagererwiderung des Baunuternehmers, die sich auch einleuchtend liest. Jetzt beginnt überhaupt erst die juristische Arbeit. Die Bevölkerung bildet sich häufig sofort ein Urteil und regt sich über davon abweichende Entscheidungwen auf. So kommt es im Strafverfahren zur Vorverurteilung von angeklagten Personen. Nach Freisprüchen ginbt es keine vollständige Rehabilition mehr.“  

Auch seitens der Politik wird das Recht durchaus in Frage gestellt, bemängelt Gnisa. So folge die Politik zwischenzeitlich nicht mehr den eigenen Vorgaben bezüglich der Maastricht-Kriterien zur Neuverschuldung. „Oder das Versprechen der Kanzlerin in der Finanzkrise, die Spareinlagen zu sichern – am Bundestag vorbei.“ Vom Bundesjustizminister wünscht sich der neue Richter-Bund-Chef einen Rechts-Gipfel, mit dem die Bedeutung des Rechts für die Gesellschaft klargemacht werden müsse.  ++ (ju/mgn/07.06.16 – 152)

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TTIP: Richterbund lehnt Sondergerichte für Einzelgruppen Rechtssuchender ab

Göttingen, 22. Februar 2016 Der Deutsche Richterbund (DRB) lehnt die von der EU-Kommission vorgeschlagene Einführung eines Investitionsgerichts (ICS) innerhalb des Freihandelsabkommenens TTIP ab. Das geht aus einer in diesem Monat bekannt gewordenen Stellungnahme der Juristenvereinigung hervor, die ausführlich in der aktuellen Ausgabe der schweizerischen Wochenzeitung „Zeit-Fragen“ wiedergegeben und erörtert wird. Der DRB sehe weder Rechtsgrundlage noch eine Notwendigkeit eines solchen Gerichts. Weder das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der Richter des ICS noch deren Stellung genügten den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten.  Vor diesem Hintergrund erscheine das ICS nicht als internationales Gericht, sondern vielmehr als ständiges Schiedsgericht. Das Errichten solcher Sondergerichte sei nicht erforderlich. Bei den Mitgliedsstaaten handele es sich um Rechtsstaaten, die allen Rechtssuchenden  den Zugang zum Recht über die staatliche Gerichtsbarkeit eröffnen und garantieren. Dieser Weg sei auch für ausländische Investoren gangbar.

Die Bedenken des Richterbundes teilt der Göttinger Völkerrechtler Peter-Tobias Stoll in einem Gastbeitrag der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) am Montag. Bestünden ernsthafte und belastbare Zweifel am Rechtsschutz für europäische Unternehmen in den USA, so müssten sie sich doch in offenen Verhandlungen ansprechen lassen, ohne sie mit einem Investorenschutz zu umgehen. ++  (ju(mgn/22.02.16 –  053)

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