Rosenburg-Ausstellung eröffnet – Aufklärung über Nazi-Belastung des Justizministeriums

Leipzig, 15. August 2018 (ADN) Die Wanderausstellung „Die Rosenburg – das Bundesjustizministerium im Schatten der NS-Vergangenheit“ wurde am Mittwoch in Leipzig im Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts eröffnet. Die Exposition fußt auf der von der seinerzeitigen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Auftrag gegebenen Analyse der personellen Durchsetzung des Bundesjustizministeriums mit Juristen aus der nationalsozialistischen Zeit in der Aufbauphase der Bundesrepublik Deutschland. Die aufwendige Untersuchung wurde von einer unabhängigen wissenschaftlichen Kommission vorgenommen, die an der Philipps-Universität Marburg ansässig war. Das nach dem damaligen Sitz des Ministeriums auf dem idyllisch gelegenen Schloss Rosenburg bei Bonn benannte Gremium hat dabei keinesfalls nur trockenes Aktenstudium, sondern gelegentlich sogar investigative Recherchen betrieben.  Zum Auftakt der Ausstellung erklärte Bundesjustizministerin Katarina Barlay, dass es beschämend ist, wie spät die Entnazifizierung des Rechts in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist. Viele Juristen hätten sich damals als unpolitische Rechtstechniker verstanden. 

Die anschauliche Darstellung wendet sich keinesfalls nur an juristische Fachkreise, sondern soll deutschlandweit in möglichst breitem Maße die Bürger über die schwierigen und konfliktreichen Anfangsjahre des bundesdeutschen Justiz informieren. Deshalb ist eine ausgiebige Wanderschaft mit möglichst vielen Stationen geplant. Start war im Juni des vergangenen Jahres im Landgericht Berlin. In dieser Hinsicht soll und wird sich diese Art der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verwicklung bundesdeutscher Behörden wesentlich von ähnlichen Projekten unterscheiden, die bisher von anderen Bundesbehörden umgesetzt wurden. Dazu zählen das Bundesaußenministerium, der Bundesnachrichtendienst und das Bundeskriminalamt. Deren NS-Aufarbeitungs-Analysen sind zwar seit einiger Zeit abgeschlossen, blieben jedoch einer großen Öffentlichkeit und dem Publikum bisher weitgehend unbekannt.  Die Gründe für diese äußerste Zurückhaltung liegen darin, dass es innerhalb der jeweiligen Institution zu viele Widerstände gegeben hat und gibt. Daran droht auch ein solches Vorhaben des Bundeslandwirtschaftsministerium zu scheitern.      

Das Bundesjustizministerium (BMJ) war seit Gründung der Bundesrepublik bis in die 60er Jahre hinein durchsetzt von alten Nazi-Spitzenjuristen. Einzelne gehörten sogar in die Kategorie Kriegsverbrecher. Nicht einmal ein halbes Dutzend der BMJ-Mitarbeiter waren Unbelastete. 1951 waren von den insgesamt 900 Stellen 267 mit Altbeamten aus dem Dritten Reich besetzt. 1953 saßen auf 968 Stellen bereits 513 Nazi-Juristen – also 55 Prozent. Ein Spitzenwert von 57 Prozent war im Jahr 1957 erreicht.

Nach den Worten von Prof. Manfred Görtemaker von der Universität Potsdam, der maßgeblich das BMJ-Projekt koordinierte, gab es nach 1949 keinen einzigen Richter, der für das, was er im Dritten Reich getan hat, verurteilt worden ist. Unter den Staatsanwälten war es lediglich einer. Walther Huppenkothen erhielt allerding nur eine milde Gefängnisstrafe. Er war nach dem 20. Juli 1944 tätig als Ankläger im SS-Standgerichtsverfahren gegen Admiral Canaris, Generalmajor Oster, Pastor Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi und andere. Görtemaker weist in dem Bericht über ein Rosenburg-Symposium darauf hin, dass die Zeit zwischen den Jahren 1945 und 1949 von den Deutschen als sehr negativ empfunden worden ist. Deutschland sei besetzt und ein Land unter Besatzungsrecht gewesen. „Insofern verwundert es nicht, dass die Bundesrepublik Deutschland sich bei der Gründung 1949 nicht in die Rechtskontinuität der Besatzungszeit stellte, sondern die Maßnahmen der Siegermächte großenteils ablehnte – gerade auch im juristischen Bereich.“ ++ (hi/mgn/15.08.18 – 207)

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Neuer Ostbeauftragter vor tiefen Ost-West-Zerwürfnissen

Eisenach/Berlin, 12. März 2018 (ADN).  An vielen Stellen gleichzeitig bricht derzeit das deutsch-deutsche Mosaik. Die Ost-West-Zerwürfnisse mehren sich. Gerade will der vorletzte DDR-Ministerpräsident Hans Modrow vor dem Bundesverwaltungsgericht Einsicht in die vom BND über ihn geführte Akte erstreiten. Sein erstes Fazit lautet: „Eine Verweigerung dieser Einsicht schreibt die erkennbar bestehende Ungleichheit in unserem Lande fort. Deshalb spreche ich auch ungern von der Einheit, denn es besteht unverändert eine Zweiheit, wenn hier mit zweierlei Maß gemessen und zweierlei Recht zugestanden wird.“ Kurz zuvor hatte sich der Schriftsteller Uwe Tellkamp in Dresden so laut, schrill und unzweideutig ostdeutsch geäußert, dass Deutschlands westlich dominierter Blätterwald fast einmütig aufjaulte.

Nach diesen kaum zu überhörenden Warnsignalen wird der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung benannt. Es handelt sich um das politische Jung-Gewächs Christian Hirte aus dem Wartburgkreis. der allein schon wegen seiner wenigen Lebensjahre als politisch weitgehend leeres Blatt gelten muss. Er sitzt in der zweiten Legislaturperiode für die CDU im Bundestag und vermochte eines seiner wichtigsten Wahlversprechen aus der ersten Periode nicht einzulösen: Er wollte nämlich einen Etappenabschnitt der berühmten „Tour de France“ nach Thüringen, insbesondere in seinen heimatlichen Wartburgkreis, holen. Das Vorhaben ist mehr als missglückt. Es scheiterte schon im Ansatz. Vor diesem Misserfolg dürfte sich die gerade übertragene neue Aufgabe als Sissiphus-Felsen erweisen. Der große Stein, der jetzt vor ihm liegt, dürfte kaum auch nur ein Stück weit bergauf zu schieben sein. Zumal der junge Politiker kaum Alltagerlebnisse von der ostdeutschen Lebens- und Erfahrungsbasis aufweist, sondern sich seine Erfahrungswelt über Schule, Gymnasium, Jurastudium, Abgeordnetenassistenz fast nur an und  vor Schreibtischen abgespielt hat. Von dem noch weiter zurückliegenden Leben in der DDR, deren materielle und geistige Erbschaft er nun maßgeblich bearbeiten muss, hat er wegen seiner Jugend bestenfalls den Hauch von Ahnung. ++ (od/mgn/12.03.18 – 071)

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Justiz blutet aus – 5.500 Staatsanwälte mit jährlich 5,2 Millionen Ermittlungsverfahren konfrontiert

Berlin, 11. Januar 2018 (ADN). Deutschlands Justiz blutet aus. Der Rechtsstaat verblasst zur Theorie. Es fehlen 2.000 zusätzliche Stellen. Ein wesentlicher Mitverursacher ist nach Auffassung des „Handelsblatts“ vom Donnerstag der Bund. Er ziehe überdimensioniert viel juristisches Personal aus den einzelnen Bundesländern in seine juristische Kompetenzsphäre. Einer Umfrage der Zeitung zufolge sind derzeit 57 Richter und Staatsanwälte aus den Ländern allein unter dem Schirm der Bundesanwaltschaft tätig. Jede dritte der 142 Stellen im höheren Dienst dieser Behörde ist damit mit Juristen aus den Ländern rekrutiert. Am stärksten geschröpft wurden Bayern und Nordrhein-Westfalen, die jeweils elf Richter und Staatsanwälte abgeben mussten. Es folgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit jeweils sieben Spitzenjuristen.

Der Generalbundesanwalt ist nicht der einzige Schnorrer unter den Bundesbehörden. Das Bundesverfassungsgericht nimmt aus Baden-Württemberg 23 Richter und Staatsanwälte in Anspruch. Zudem muss das Ländle jeweils zehn Juristen dem Bundesgerichtshof und dem Bundesjustizministerium zur Verfügung stellen. Weitere waren an das Bundesarbeitsgericht, das Bundesozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht, an das Auswärtige Amt und das Bundesamt für Justiz abzuordnen. Auf diese Weise ging die Justiz in Baden-Würtemberg einer Personalmannschaft in der Stärke von 60 Frauen und Männern verlustig. 

Die schiere Personalnot geht zulasten der Rechtsprechung. Das „Handelsblatt“ verdeutlicht das am Beispiel der Anklagebehörden. Aufgrund von Daten des Statistischen Bundesamtes hatten im Jahr 2016 bundesweit 5.500 Staatsanwälte  5,2 Millionen Ermittlungsverfahren zu bewältigen. Knapp 60 Prozent davon wurden eingestellt, in erster Linie wegen Überlastung der Justiz unter der Bezeichnung „wegen Geringfügigkeit“. 

Offensichtlich ist die Justiz zudem unfähig, realistisch zu gewichten und die Verhältnismäßigkeit herzustellen. Anstatt sich der Schwerstkriminalität stärker zuzuwenden – mit 1.200 Terrorverfahren im Jahr 2016 gab es fünfmal mehr dieser Verfahren – , verbeißen sich Staatsanwälte und Richter massenweise in Bagatelldelikte. Außerdem könnte der Paragraphendschungel gelichtet werden. Da wäre dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof zu folgen. Er präsentierte schon vor sieben Jahren ein Konzept, mit dem die Zahl der 33.000 Steuerparagraphen auf 146 gelichtet werden kann. 30 Bundessteuern sollen danach auf vier reduziert werden. ++ (ju/mgn/11.01.18 – 011)

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Geisterdiskussion über „Reichsbürger“

Moskau/Leipzig, 9. Mai 2017 (ADN). Während am Dienstag in Moskau auf dem Roten Platz die Siegesparade zur 72. Wiederkehr des Endes des Zweiten Weltkrieges abgehalten wurde, diskutierten am Vorabend in Leipzig deutsche Behördenvertreter über Relikte und Konsequenzen aus dieser Zeit und aus den Vorkriegsjahrzehnten. Die administrative Welt des wiedervereinigten Deutschland ist nämlich aufgeschreckt von sogenannten Reichsbürgerbewegungen, von denen es angeblich 38 bundesweit gibt. Es sollen inzwischen 4.000 bis 6.000 „Reichsbürger“ identifiziert worden sein, die den Verwaltungsinstanzen die Arbeit erschweren und mit lästigen Schriftsätzen ungewohnten Inhalts und in aller Ausführlichkeit die Bürokratie geradezu lähmen und verängstigen. Aufs Podium waren Gäste geladen worden, die sich in fast allen Punkten weitgehend einig waren. Kontroverse Standpunkte auf der Bühne waren also nicht auszumachen. Eine klare Definition, was Reichsbürger überhaupt seien, ließ sich nicht herausfiltern. Mehrfach wurde zumindest fixiert, dass „Reichsbürger“ die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht anerkennen und das Fehlen eines Friedensvertrages bis zum heutigen Tag bemängeln. Ansonsten handle es sich um eine äußerst heterogene Gruppierung. Militant und gewaltbereit seien nur wenige.

Dass von den Personengruppen, über die diskutiert wurde, kein Vertreter zur Verfügung stand, war wohl der fundamentalste Fehler der Organisatoren. Demzufolge plätscherte der Meinungsaustausch als Geisterdiskussion so lange vor sich hin, bis die Zuhörer mit sehr kritischen Fragen selbst in die Debatte eingreifen durften. Es meldete sich aus dem Publikum sogar ein echter Reichsbürger, der aber dem zuvor geschilderten Rollenklischee gar nicht entsprach. Der Hochbetagte ist zu Zeiten der Weimarer Republik im Deutschen Reich geboren als Bürger mit der Nationalität „deutsch“ und der Staatsangehörigkeit „Preußen“. Dieses erste konkrete, von dem über Achtzigjährigen präsentierte Faktum rief eine sofortige Reaktion des Richters am Bundesverwaltungsgericht Uwe Berlit hervor, der daraufhin das Themenspektrum – unverständlicherweise – noch um die Begriffe Volkszugehörigkeit, Vertriebene und Russlanddeutsche erweiterte. Das wiederum veranlasste einen anderen Diskutanten zu der Feststellung, dass das Vermitteln von Geschichtskenntnissen und historischem Wissen in der Bevölkerung nicht nur sträflich über Jahrzehnte hinweg vernachlässigt, sondern auch blockiert und verhindert worden ist. Der klägliche Ratschlag des Bundesverwaltungsrichters, man möge zur Klärung doch jedes beliebige Lehrbuch zum Völkerrecht heranziehen, ging ins Leere. Auf die abschließende Frage, wie in Zukunft mit den „Reichsbürgern“ umzugehen sei, antwortete der Leiter des Leipziger Rechtsamtes Dirk Müller: „Illusionen haben wir nicht und versuchen sie nicht zu bekehren. Wir sind nicht kreativ tätig, sondern für den Normenvollzug zuständig.“ ++ (gs/mgn/09.05.17 – 130)

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Arbeitslose I. und II. Klasse: Hartz-IV-Empfänger dürfen Job-Center-Mitarbeiter nicht anrufen

Leipzig/Berlin, 22. Oktober 2016 (ADN). Anders als Langzeitarbeitslose stören Arbeitslosengeld-I-Bezieher anscheinend die Arbeit der Behörden nicht. Auf ihren Bescheiden findet sich die Rufnummer der Bearbeiter. Auf dieses nun vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig per Urteil erhärtete Zwei-Klassen-System verweist die Zeitung „neues deutschland “ (nd) am Sonnabend. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Herausgabe der Telefonnummern die Leistungsfähigkeit der Jobcenter gefährdet. Das rechtfertige, die Bekanntgabe der Nummern zu verweigern. Direkte Anrufe hätten „nachteilige Auswirkungen auf die effiziente und zügige Aufgabenerfüllung der Jobcenter“. Nunmehr müssen Langzeitarbeitslose weiterhin eine Service-Nummer anrufen und hoffen, das das Anliegen weitergeleitet oder vom Service-Telefinisten geklärt wird. Erfahrungsgemäß landen Betroffene in einer endlosen telefonischen Warteschleife der Arbeitsbehörde.

Nach Meinung der Berliner Erwerbslosenaktivistin Marianne Felten werden Arbeitslose, die eine Telefonnummer ihrer Fallmanager einfordern, zum Sicherheitsrisiko erklärt. Felten äußert: „Einerseits verweigern die Jobcenter jede Transparenz, gleichzeitig müssen Erwerbslose alle Daten abgeben“.

Einer der Klägeranwälte, Dirk Feiertag, nannte das Urteil frustrierend. Er müsse nun wohl noch rund 100 ähnliche Klagen zurückziehen. Der Leipziger Jurist hatte als Bewerber um das Oberbürgermeisteramt der Messestadt mit einer Flugblattaktion Furore gemacht. Auf Flyern hatte er die Telefonnummern der Fallmanager des Jobcenters Leipzig öffentlich gemacht und massenhaft verteilt. Das hat den Zorn der Arbeitsbehörde erregt und sie zu juristischem Vorgehen veranlasst. Damals hatte ein Gericht unterer Instanz Feiertags Vorgehen noch abgesegnet.  ++ (so/mgn/22.10.16 – 288)

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