Schritt zum Überwachungsstaat – Auftakt zur biometrischen Gesichtserkennung auf Bahnhof Südkreuz

Berlin, 1. August 2017 (ADN). Umstrittene Technik zur automatischen biometrischen Gesichtserkennung wurde am Dienstag auf dem Berliner Bahnhof Südkreuz in Betrieb genommen. Der Feldversuch soll ein halbes Jahr dauern. Die Überwachungsapparaturen, die mit Software des Karlsruher Fraunhofer Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) ausgestattet sind, soll Gefährder der öffentlichen Ordnung erkennen und herausfiltern. Auftraggeber sind neben der Bundespolizei das Bundesinnenministerium, das Bundeskriminalamt und die Deutsche Bahn AG. Es werden gleich drei Systeme getestet. Unter den Herstellern werden die Dresdner Firma Cognitech und die L-1 Identity Solutions, die zum französischen Safran-Konzern gehört, vermutet. Für die Miete der Anlagen sind 60.000 Euro zu zahlen. Als Testpersonen haben sich 200 Reisende – meist Pendler – gemeldet. Sie werden für erfolgreiche Scans belohnt. Für 25 geglückte Identifizierungen gibt es einen Amazon-Gutschein für 25 Euro. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hat sich bereits begeistert über die Überwachungssysteme geäußert und beabsichtigt, die Installationen Ende August persönlich in Augenschein zu nehmen. Sie sollen „gefährliches Verhalten“ sichten. Der Computer schlägt Alarm, wenn zum Beispiel jemand einen Koffer abstellt, weggeht und länger nicht zurückkommt. Als weitere Beispiele für „kriminaltätsrelevante“ Situationen, die der Algorithmus erkennen soll, sind einem Papier der Stadt Mannheim zufolge „rennen, treten, schlagen/treten und hinfallen/stürzen“.

„Irgendwann schlägt die Technik Alarm, wenn jemand einen Bart trägt“, zitiert die „Südwestpresse“ Friedemann Ebelt vom Verein Zivilcourage. Er hatte Strafanzeige gestellt, nachdem ein Einzelhandelsunternehmen Gesichtserkennungstechnik in seinen Verkaufsräumen installiert hatte.

Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltcyk bezweifelt, dass eine pauschale biometrische Gesichtserkennung mit europäischem Datenschutzrecht im Einklang steht. Anna Biselli vom Nachrichtenportal netzpolitik.org schreibt dazu: „Im Sinne des Datenschutzrechts ist es jedoch egal, ob ein Mensch oder eine Maschine die Daten zu sehen bekommt. Dass es sich um die Verarbeitung biometrischer Daten handelt, ist ein rechtlicher Unterschied. Denn die sind besonders schutzbedürftig.“ Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, bewertet das Ereignis als Schritt zum Überwachungsstaat. Zudem würden die Persönlichkeitsrechte der Bürger verletzt. ++ (si/mgn/01.08.17 – 214)

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In Indien entsteht weltgrößte biometrische Datenbank – Werkzeug staatlicher Überwachung

Neu Delhi, 5. Mai 2017 (ADN). In Indien wird gerade die weltgrößte biometrische Datenbank aufgebaut. Das teilt „neues deutschland“ (nd) am Freitag mit. „Die Inder werden derzeit durchnummeriert und biometrisch erfasst. Rund 1,12 Milliarden Menschen, mehr als 88 Prozent der Bevölkerung auf dem Subkontinent, sind bereits in das umstrittene biometrische Zentralregister aufgenommen“, schreibt die vor allem in Berlin verbreitete Tageszeitung. Seit 2009 laufe dieses Aadhaar-Programm bereits. Dabei wird jedem indischen Bürger eine zwölfstellige Identifikationsnummer zugewiesen, die mit Namen, Geschlecht, Adresse und Geburtsdatum verknüpft ist. Hinzu kommen biometrische Merkmale zur Identifikation wie ein Foto, Abdrücke aller zehn Finger und die Scans der Regenbogenhaut beider Augen.

Das Vorhaben gerät zunehmend in die Kritik. Jüngst sorgte ein Bericht in Neu Dehli für Aufregung. Daraus geht hervor, dass 130 bis 135 Millionen Aadhaar-Nummern sowie 100 Millionen Bankkontennummern von Beziehern staatlicher Leistungen „geleakt“ worden sind. Nach den Worten des Politikwissenschaftlers Pratap Bhanu Mehra ist Aadhaar von einem „Werkzeug der Bürgerermächtigung zu einem Werkzeug staatlicher Überwachung“ mutiert. ++  (dt/mgn/05.05.17 – 126)

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