Westdeutsche Eliten-Netzwerke liegen beklemmend über Ostdeutschland

Leipzig/Berlin, 9. März 2018 (ADN). Die Spätfolgen des Elitenimports aus Westdeutschland nach 1989, der westdeutsche Netzwerke der Macht in Ostdeutschland etabliert hat, sind bedeutend. Die darin Etablierten präferieren unbewusst Nachrücker mit westdeutscher Prägung und erhalten somit die Unterrepräsentation aufrecht. Zu diesem Schluss kommt Prof. Lars Vogel in einem am Freitag von der Pressestelle der Universität Leipzig verbreiteten Interview. Der Dozent vom Institut für Politikwissenschaft hatte sich darin zu der jüngsten Personalbesetzung im neuen Bundeskabinett geäußert. In der Personaldiskussion für das neue Kabinett habe ein großes Gewicht auf äußerlichen und somit leicht sichtbaren Merkmalen wie Geschlecht und Alter gelegen. Das zeige, welches Gewicht die Parteien solchen Eigenschaften in der Politik zuschreiben. Damit werde Symbolpolitik gemacht. Gerade vor diesem Hintergrund sei es wichtig und richtig, die Ostdeutschen als eine Bevölkerungsgruppe zu platzieren, die vielerlei spezifische Interessen besitzt und eine kollektive Identität zu verteidigen sucht. Der in Ost- weiter als in Westdeutschland verbreiteten Haltung, nicht ganz dazuzugehören, werde damit entgegengewirkt. Über den Tellerrand  des Bundeskabinetts hinaus seien Ostdeutsche in nahezu allen anderen bundesdeutschen Führungspositionen und selbst in Führungspositionen in Ostdeutschland deutlich seltener vertreten  als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht.

„Neben der Frage nach ungleich verteilten Aufstiegschancen ist hier vor allem problematisch, dass der ostspezifische Erfahrungsschatz nicht ausreichend in Entscheidungsprozessen berücksichtigt wird und damit neue Perspektiven auf Problemlagen verschenkt werden. Als ostspezifisch wäre insbesondere die Erfahrung eines abrupten Systemumbruchs mit neuen Möglichkeiten und Unsicherheiten zu nennen. Auch mit den Großtrends, wie demografischer Wandel, Landflucht, geringer Bedeutung alter und neuer zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie Demokratieentfremdung, haben Ostdeutsche schon länger Erfahrung“, so Vogel. Schließlich schmälere die Unterrepräsentation das Gefühl gleichberechtigter Teilhabe an Gesellschaft und Politik. Das führe zu Rückzugs- und Abwehrreaktionen in Ostdeutschland. ++ (po/mgn/09.03.18 –  068)

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