Reichsgründung brachte Territorialfürsten Machtverlust

Düsseldorf, 17. Januar 2021 (ADN). „Im Kaiserreich stecken die Wurzeln der Demokratie, der Demokratie von Weimar, auch die Demokratie der Bundesrepublik drin.“ Das sagte der Historiker Christoph Nonn von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf am Sonntag im Deutschlandfunk. Allerdings wurzele dort auch der Nationalsozialismus. Deswegen sei das vor 150 Jahren gegründete Kaiserreich so umstritten.

Viele Teilnehmer der Zeremonie auf französischem Territorium in Versailles sind nach den Worten des Geschichtsforschers nicht begeistert gewesen, weil damit ein Verlust an Macht und Einluss einherging. Das betreffe beispielsweise die Württemberger und besonders die Bayern. ++ (hi/mgn/17.01.21 – 017)

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Corona-Fernduell Ramelow-Söder – Thüringens Amtsärzte bekommen 1.000 Euro mehr

Erfurt/München, 26. Mai 2020 (ADN). Ein montägliches Fernduell zwischen Erfurt und München lieferten sich Bodo Ramelow und Markus Söder.  Gegenstand des Streits der Ministerpräsidenten Thüringens und Bayerns standen die diametral einander gegenüberstehenden Maßnahmen beider Freistaaten, um Corona auf regionaler Ebene möglichst effektvoll einzudämmen. Die heftige mediale Auseinandersetzung stellte sich als verbaler Kanonendonner auf Spatzen heraus. Ramelow war im Übrigen rhethorisch und inhaltlich mit seinen Argumenten im Vorteil. Er hatte am Freitag Modifizierungen der Corona-Beschränkungen in Aussicht gestellt. Aus Verboten sollen Gebote werden. Der zentrale Krisenstab seiner Regierung soll seine Aufgaben und Befugnisse auf das Landesgesundheitsministerium und dort schwerpunktmäßig auf die Gesundheitsämter in den Landkreisen übertragen. Aus Allgemeinverfügungen werden Spezialverfügungen beispielweise der Berufsgenossenschaften, um lokal viel zielgerichteter das Coronoa-Virus zu bekämpfen. Vorgeschlagen wurde außerdem, Amtsätzten ihren Dienst mit 1.000 Euro monatlich mehr zu vergüten und damit zu Medizinern in Krankenhäusern aufzuholen.

Ministerpräsidenten anderer Bundesländer und ganz besonders die bayrische Landesregierung unterstellten Ramelow, er wolle den Mund-Nasen-Schutz und die Abstandsregelung von 1,50 Meter aufheben und damit unzulässige Lockerungen einzuführen.  Davon war jedoch von Seiten des Thüringer Regierungschefs zu keinem Zeitpunkt die Rede. Dennoch wiederholte Söder die haltlosen Vorwürfe am Montag. Dem sich bisher als Oberföeralist der Bundesrepublik wähnenden Franken scheint es wohl eher um ein publicityträchtiges Scharmützel zu gehen, zumal die Vorhaben seines Thüringer Amtskollegen offensichtlich ins Schwarze treffen und an Konkretheit kaum zu wünschen übrig lassen. Immerhin gibt es in Thüringen derzeit nur 239 Infizierte, während es in Bayern mit 1.500 Ansteckungen ein Mehrfaches ist. Außederdem sind in Thüringen nach den Worten Ramelows neun der insgesamt 23 Landkreise völlig coronafrei. ++ (co/mgn/26.05.20 – 174)

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Bayrische Staatsregierung erhält „Verschlossene Auster“

Hamburg, 15. Juni 2019 (ADN).  Der Negativpreis „Verschlossene Auster“ der Vereinigung investigativer Journalisten „Netzwerk recherche“ geht an die Bayrische Staatsregierung.  Zum Auszeichnungsakt am Sonnabend in Hamburg sind die Preisträger nicht erschienen. Verlautbarungen des Regierungssprechers aus München zufolge findet die Ehrung in Bayerns Regierungsspitze keine Akzeptanz. In der Begründung für die Preisvergabe wird vor allem auf den Tatbestand verwiesen, dass Bayern das einzige deutsche Bundesland ohne ein Transparenzgesetz oder ein Informationsfreiheitsgesetz ist. Die Situation sei in Niedersachsen und Sachsen zwar die gleiche. Aber immerhin gebe es in diesen beiden Bundesländern bereits derartige Gesetzentwürfe und entsprechende legislative Bemühungen. ++ (me/mgn/15.06.19 – 169)

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Den „Osten“ gibt es nicht – Keine kosmopolitischere und deutschere Stadt als Weimar

Berlin, 11. Januar 2019 (ADN). In diesem Jahr überlagert die Gegenwart die Geschichte. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden neue Landtage gewählt, die Umfragen deuten auf politische Instabilität. Das stellt Claus-Christian Malzahn im Leitartikel der Zeitung „Die Welt“ am Freitag fest. Bevor Politethnologen und andere Experten nun mahnend die Zeigefinger heben und genervt nach Osten blicken, wäre kritische Selbstprüfung angebracht. Denn „den Osten“ gebe es gar nicht. Der „Osten“ sei heute vor allem eine westdeutsche Fiktion, deren gehässigste Annahme die von „Dunkeldeutschland“ ist. Er bestehe aus Bundesländern, Regionen, Städten und Dörfern, deren Anmutung und Bewohner sich außerordentlich voneinander unterscheiden. Das merke man nicht nur am Dialekt und am Mittagstisch. Niemand käme auf die Idee, die Eigenarten und die reale Existenz der Bewohner von Schleswig-Holstein mit denen von Bayern in einen Topf zu werfen.

Nach Meinung des Autors gibt es auf deutschem Boden keine kosmopolitischere und deutscheste Stadt als Weimar. wer als „Westdeutscher“ dort auf der Suche nach dem „typischen“ Osten ist, werde – wie in den meistewn Städten in Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Meclenburg-Vorpommern – kaum fündig. In Weimar stoße er nicht auf östliche oder westliche, sondern vor allem auf deutsche Geschichte. Westdeutschen Germanisten sei die Stadt natürlich ein Begriff. Viele pensionierte Deutschlehrer seien nach der Wende an die Ilm gezogen, die Klassiker ließen grüßen. Die Ortsansässigen reagierten amüsiert nach dem in der kleinen Stadt inzwischen geflügelten Wort „Goethe sehen und sterben“. Man könne Goethe, Schiller, Wieland und Thüringer Bratwurst dort im Übrigen völlig ignorieren, ohne sich zu langweilen.  Weimar ist das Epizentrum der Bauhaus-Bewegung, die dort vor 100 Jahren ihren Anfang nahm und in die ganze Welt ausstrahlte. Im Mai jährt sich die Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung zum 100. Mal, ohne die das bundesdeutsche Grundgesetz undenkbar wäre. Und Weimar ist auch ohne das Konzentrationslager Buchenwald nicht denkbar. Himmel und Hölle der deutschen Geschichte liegen dort dicht beieinander. ++ (od/mgn/11.01.19 – 011)

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Deutschlandweit 175.000 offene Haftbefehle

Berlin, 29. Juni 2018 (ADN). Deutschlandweit gibt es mehr als 175.000 offene Haftbefehle. Wie die „Berliner Morgenpost“ am Freitag weiter unter Berufung auf eine Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion mitteilte, liegen Berlin und Bayern in dieser Polizeistatistik auf den beiden letzten Plätzen. In Berlin werden mehr als 8.500 Menschen von den Sicherheitsbehörden gesucht. In Bayern sind es 29.113. Diese Hochrechnung bezieht sich auf 100.000 Einwohner. In absoluten Zahlen führt das Bundesland Nordrhein-Westfalen die Rangliste mit 21.407 offenen Haftbefehlen an.

Nach Angaben der Zeitung ist das Datenmaterial besonders interessant. Noch im August vergangenen Jahres habe nämlich die Berliner Justizverwaltung auf eine kleine Anfrage der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus mitgeteilt, dass es keine Statistiken über offene Haftbefehle gebe.

In der Statistik werden alle Arten von Kriminalität erfasst. In das Zahlenwerk fließen auch die immer umstritteneren Ersatzfreiheitsstrafen ein. Sie machen einen Großteil der offenen Haftbefehle aus. Darüber liegen jedoch keine genauen Angaben vor. Ersatzfreiheitsstrafen werden verhängt, wenn Geldstrafen nicht bezahlt werden. Mit dieser Regelung wird in zahlreichen Fällen gegen die Eurpoäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen, weil viele der Betroffenen gar nicht in der Lage sind, die Geldtstrefen zu bezahlen. Im Land Berlin gibt es Überlegungen, um die „Schwarzfahrer“ zu entkriminalisieren. Sie sind sehr stark von Haftbefehlen und Ersatzfreiheitsstrafen betroffen. Mit der Herabstufung solcher Bagatelldelikte, die derzeit als Straftaten eingestuft werden, auf Ordnungsgeldniveau sollen Polizei und Staatsanwaltschaften entlastet werden.

In der Statistik offener Haftbefehle sind auch politisch motivierte Tathintergründe enthalten. Das trifft auf 4.411 Fälle zu. Davon sind 144 dem linken und 594 dem rechten Spektrum zuzuordnen. 3.151 haben einen religiös eingefärbten Touch. ++ (me/mgn/29.06.18 –  161)

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Vermutungen statt Fakten

Hamburg, 20. Mai 2018 (ADN). Die Unverletztlichkeit der Wohnung wird eingeschränkt, die automatische digitale Gesichtserkennung auf öffentlichen Plätzen zugelassen, Telefone und Computer dürfen auch ohne konkreten Verdacht überwacht werden. Darauf weist mit großer Sorge Heinrich Wefing in der aktuellen Ausgabe der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ hin. Am bedrohlichsten am neuen bayrischen Polizeigesetz sei, das Richter gegen Gefährder ohne Anklage für bis zu drei Monaten Polizeigewahrsam anordnen und diesen dann immer wieder verlängern, ohne Straftat, ohne Prozess und ohne Pflichtverteidiger. Wer Gefährder ist, entscheidet die Polizei. Das sei Vorbeugehaft.

All diese Befugnisse folgen nach Auffassung des Autors einem Prinzip: Die Polizei wird nicht aufgrund handfester Anhaltspunkte tätig, sondern auf bloßen Verdacht hin. Vermutungen treten an die Stelle von Fakten. ++ (po/mgn/20.05.18 – 140)

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Der unbescholtene Bürger gerät ins Visier der Polizei – Überwachungsstaat im Anmarsch

Halle an der Saale, 15. Mai 2018 (ADN). Das Gesetz ist von Sicherheitswahn geprägt. Das Bedenklichste daran ist die Verlagerung von präventivpolizeilichen Befugnissen in ein Vorfeld der Gefahr, in dem es nur um Wahrscheinlichkeiten geht und nicht um eine konkrete Tatsachenbasis. Das kritisierte der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum an dem geplanten bayrischen Polizeiaufgabengesetz in einem am Dienstag veröffewntlichten Interview mit der „Mitteldeutschen Zeitung“.  Eine solche Regelung habe das Bundesverfassungsgericht zwar zugelassen, aber nur für den Fall zur Bekämpfung von Terrorismus. Jetzt solle diese Schwelle gesenkt werden für normale Kriminalität. „Das heißt, der unbescholtene Bürger gerät ins Visier der Polizei,“ so Baum.

Der erfahrene und altgediente FDP-Politiker bestätigt, noch nie in seinem Leben eine solch nervöse und reizbare Stimmung erlebt zu haben wie heute. Es gebe Leute, die nicht mehr ohne Messer oder Pfefferspry aus dem Haus gehen. Die Situation sei von Angst geprägt. Dem widerspreche die Wirklichkeit, denn die Kriminalitätsentwicklung befinde sich auf dem niedrigsten Niveau seit 30 Jahren. Es gebe eine hohe Aufklärungsquote bei Gewaltverbrechen. Deshalb dürften nicht – wie das jetzt in Bayern geschehe – diese Ängste gescvhürt und instrumentalisiert werden. Besonnenheit sei angesagt und nicht die Fortsetzung dert seit Jahren betriebenen sicherheitspolitischen Aufrüstung. Die vorhandenen Instrumente sei zu nutzen und nicht neue zu schaffen.  Die Opfer von Anis Amri könnten noch leben, wenn die geltenden Regeln angewandt worden wären.

Auf die Frage, ob seine geplante diesbezügliche Klage beim Bundesverfassungsgericht Erfolg haben werde, antwortete Baum: „Mit der Erweiterung der drohenden Gefahr verhalten sich die Bayern absolut verfassungswidrig. Sie werden damit scheitern. Karlsruhe betont immer wieder die Schutzfunktion, die der Staat für die Intimsphäre hat. Es sind nicht so sehr die einzelnen Maßnahmen allein, es sind die Summe und das Übermaß an Maßnahmen, die uns immer weiter in einen Überwachungsstaat hineinziehen.“ ++ (po/mgn/15.05.18 – 135)

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Justiz blutet aus – 5.500 Staatsanwälte mit jährlich 5,2 Millionen Ermittlungsverfahren konfrontiert

Berlin, 11. Januar 2018 (ADN). Deutschlands Justiz blutet aus. Der Rechtsstaat verblasst zur Theorie. Es fehlen 2.000 zusätzliche Stellen. Ein wesentlicher Mitverursacher ist nach Auffassung des „Handelsblatts“ vom Donnerstag der Bund. Er ziehe überdimensioniert viel juristisches Personal aus den einzelnen Bundesländern in seine juristische Kompetenzsphäre. Einer Umfrage der Zeitung zufolge sind derzeit 57 Richter und Staatsanwälte aus den Ländern allein unter dem Schirm der Bundesanwaltschaft tätig. Jede dritte der 142 Stellen im höheren Dienst dieser Behörde ist damit mit Juristen aus den Ländern rekrutiert. Am stärksten geschröpft wurden Bayern und Nordrhein-Westfalen, die jeweils elf Richter und Staatsanwälte abgeben mussten. Es folgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit jeweils sieben Spitzenjuristen.

Der Generalbundesanwalt ist nicht der einzige Schnorrer unter den Bundesbehörden. Das Bundesverfassungsgericht nimmt aus Baden-Württemberg 23 Richter und Staatsanwälte in Anspruch. Zudem muss das Ländle jeweils zehn Juristen dem Bundesgerichtshof und dem Bundesjustizministerium zur Verfügung stellen. Weitere waren an das Bundesarbeitsgericht, das Bundesozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht, an das Auswärtige Amt und das Bundesamt für Justiz abzuordnen. Auf diese Weise ging die Justiz in Baden-Würtemberg einer Personalmannschaft in der Stärke von 60 Frauen und Männern verlustig. 

Die schiere Personalnot geht zulasten der Rechtsprechung. Das „Handelsblatt“ verdeutlicht das am Beispiel der Anklagebehörden. Aufgrund von Daten des Statistischen Bundesamtes hatten im Jahr 2016 bundesweit 5.500 Staatsanwälte  5,2 Millionen Ermittlungsverfahren zu bewältigen. Knapp 60 Prozent davon wurden eingestellt, in erster Linie wegen Überlastung der Justiz unter der Bezeichnung „wegen Geringfügigkeit“. 

Offensichtlich ist die Justiz zudem unfähig, realistisch zu gewichten und die Verhältnismäßigkeit herzustellen. Anstatt sich der Schwerstkriminalität stärker zuzuwenden – mit 1.200 Terrorverfahren im Jahr 2016 gab es fünfmal mehr dieser Verfahren – , verbeißen sich Staatsanwälte und Richter massenweise in Bagatelldelikte. Außerdem könnte der Paragraphendschungel gelichtet werden. Da wäre dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof zu folgen. Er präsentierte schon vor sieben Jahren ein Konzept, mit dem die Zahl der 33.000 Steuerparagraphen auf 146 gelichtet werden kann. 30 Bundessteuern sollen danach auf vier reduziert werden. ++ (ju/mgn/11.01.18 – 011)

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Ex-DDR-Bürger bis Ende ihres Lebens Deutsche zweiter Klasse

Berlin, 26. Dezember 2017 (ADN). Über Zugangsberechtigung und Diskriminierungserfahrung muss dringend gesprochen werden. Das erklärt der Intendant der Berliner Festspiele, Thomas Oberender, am Dienstag im Deutschlandfunk. DDR-Bürger hätten 1989 die Mauer zum Einsturz gebracht. Oberender bringt sein Unbehagen über den Umgang mit der Vergangenheit der DDR-Bürger zum Ausdruck.

Der Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche Dresden, Frank Richter, spricht über Marginalisierungserfahrungen, die viele Menschen gemacht haben. Diese Art, Geschichte zu betrachten, führe zu ihrem Verschwinden, statt zu ihrem Erinnern. Über Identität zu reden, heiße immer, über die Geschichte und die Herkunft zu reden. Nur so könne die Herkunft eines Menschen begriffen werden. Es handele sich um ganz andere Geschichten als die der Menschen im Westen. „Es sind die Geschichten der Kränkungen und der Demütigungen, die mit dem Gefühl zusammenhängen, wir werden wohl bis zum Ende unseres Lebens Deutsche zweiter Klasse sein.“ Dieses Gefühl könnten Soziologen durch Statistiken untermauern. Bundesminister und Abteilungsleiter in Bundesministerien seien fast ausschließlich westdeutsch sozialisiert.  Ähnlich sehe es in den Ländern der ehemaligen DDR aus. Auch heute noch sei dort ein großer Teil der Funktionseliten in Politik, Verwaltung und Wirtschaft westdeutsch sozialisiert.

Richter verdeutlicht seine Ansicht überzeugend anhand eines Beispiels: „Was wäre in Bayern los, wenn 80 Prozent der Funktionseliten aus Menschen bestünden, die aus Schleswig-Holstein eingewandert sind. Alles tolle S chleswig-Holsteiner, trotzdem würden die Bayern so ein Grundgefühl nicht loswerden, dass diese Ordnung nicht ganz die eigene ist, weil diese Funktionsträger dieser Ordnung von woanders herkommen oder mehrheitlich kommen.“ Er plädiere dafür, diese Überschichtung der ostdeutschen Gesellschaft als Sachverhalt möglichst nüchtern zur Kenntnis zu nehmen und ein Personalisieren und Moralisieren zu vermeiden. Die Ankunft vieler Flüchtlinge im Jahr 2015 habe bei manchen Ostdeutschen den Eindruck erweckt, jetzt in die Zange genommen zu werden und vom eigenen bleibe nichts mehr übrig. ++ (od/mgn/26.12.17 – 371)

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Gruppe von rund 84.000 Bürger darf nicht wählen – Rechtsstaatlichkeit nicht gegeben

München, 2. September 2017 (ADN). An der bevorstehenden Bundestagswahl darf im Prinzip jeder Bürger im Alter von über 18 Jahren teilnehmen. Das sind annähernd 62 Millionen Bürger. Warum  eine Gruppe von rund 84.000 volljährige Menschen von der Wahl ausgeschlossen sind, erläutert die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) am Wochenende. Das seien 81.000, die wegen einer geistigen Behinderung von einem Gericht einen Betreuer in allen Angelegenheiten zur Seite gestellt bekommen haben. Weiterhin seien 3.000 schuldunfähige Straftäter betroffen, die in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht sind. „Wie viele Menschen in diesem Jahr vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, lässt sich nicht genau sagen. Vieles spricht dafür, dass es mehr als 84.000 Bürger sind – das entspricht der Einwohnerzahl einer mittelgroßen Stadt wie Gießen. Die Zahl geht aus einer Studie des Bundessozialministeriums aus dem vergangenen Jahr hervor, Berechnungsgrundlage waren die Jahre 2014 und 2015“, berichtet die SZ.

Diese Praxis stößt auf heftige Kritik. Oppositionsverbände und Sozialverbände bezweifeln, dass ein Ausschluss von der Wahl zulässig ist. Zudem wird kritisiert, dass das Wahlrecht in zwewi weiteren Punkten uneinheitlich ist und Menschen diskriminiert. Ein Beispiel sind Demenzkranke. Wer infolge Erkrankung per Gericht in allen Angelegenheiten einen Betreuer zur Seite gestellt bekommt, fällt automatisch aus dem Wählerregister heraus. Wer aber im frühen Stadium seiner Erkrankung eine entsprechende Vorsorgevollmacht unterschreibt, bleibt drin. 

Der zweite Punkt betrifft die Frage, wie oft Richter bei Behinderten eine Betreuung „in allen Angelegenheiten“ anordnen. Regional gibt es da große Unterschiede. In Bremen sind es acht Fälle auf 100.000 Wahlberechtigte und in Bayern 204. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 132 Personen. Damit ist es eine Frage des richtigen Wohnorts, ob ein Behinderter wählen darf oder nicht. Mit Rechtsstaatlichkeits hat das nichts zu tun. ++ (wl/mgn/02.08.17 – 246)

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