Deutschlandweit 175.000 offene Haftbefehle

Berlin, 29. Juni 2018 (ADN). Deutschlandweit gibt es mehr als 175.000 offene Haftbefehle. Wie die „Berliner Morgenpost“ am Freitag weiter unter Berufung auf eine Auskunft der Bundesregierung auf eine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion mitteilte, liegen Berlin und Bayern in dieser Polizeistatistik auf den beiden letzten Plätzen. In Berlin werden mehr als 8.500 Menschen von den Sicherheitsbehörden gesucht. In Bayern sind es 29.113. Diese Hochrechnung bezieht sich auf 100.000 Einwohner. In absoluten Zahlen führt das Bundesland Nordrhein-Westfalen die Rangliste mit 21.407 offenen Haftbefehlen an.

Nach Angaben der Zeitung ist das Datenmaterial besonders interessant. Noch im August vergangenen Jahres habe nämlich die Berliner Justizverwaltung auf eine kleine Anfrage der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus mitgeteilt, dass es keine Statistiken über offene Haftbefehle gebe.

In der Statistik werden alle Arten von Kriminalität erfasst. In das Zahlenwerk fließen auch die immer umstritteneren Ersatzfreiheitsstrafen ein. Sie machen einen Großteil der offenen Haftbefehle aus. Darüber liegen jedoch keine genauen Angaben vor. Ersatzfreiheitsstrafen werden verhängt, wenn Geldstrafen nicht bezahlt werden. Mit dieser Regelung wird in zahlreichen Fällen gegen die Eurpoäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen, weil viele der Betroffenen gar nicht in der Lage sind, die Geldtstrefen zu bezahlen. Im Land Berlin gibt es Überlegungen, um die „Schwarzfahrer“ zu entkriminalisieren. Sie sind sehr stark von Haftbefehlen und Ersatzfreiheitsstrafen betroffen. Mit der Herabstufung solcher Bagatelldelikte, die derzeit als Straftaten eingestuft werden, auf Ordnungsgeldniveau sollen Polizei und Staatsanwaltschaften entlastet werden.

In der Statistik offener Haftbefehle sind auch politisch motivierte Tathintergründe enthalten. Das trifft auf 4.411 Fälle zu. Davon sind 144 dem linken und 594 dem rechten Spektrum zuzuordnen. 3.151 haben einen religiös eingefärbten Touch. ++ (me/mgn/29.06.18 –  161)

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Schwarzfahrer müssen in Thüringen nicht mehr in Gefängnis

Weimar, 30. Januar 2018 (ADN). Der Deutsche Richterbund sympathisiert stark mit den Überlegungen, dass über Schwarzfahrer keine Ersatzfreiheitsstrafen mehr verhängt werden. Nach Auffassung des Vorsitzenden des Thüringer Landesverbandes, Holger Pröbstel, verursacht Schwarzfahren zwar großen finanziellen Schaden, jedoch binde es  auch immense personelle Ressourcen und kostet den Steuerzahler viel Geld. Das sagte er der „Thüringischen Landeszeitung“ (TLZ), die darüber am Dienstag ausführlich berichtet. „Wir sind quasi das Inkassobüro der Verkehrsbetriebe“, so der Jurist. Dabei handele es sich eigentlich um Bagatellkriminalität. Würden die aktuellen Regelungen überarbeitet, führe das zu keinem großen Bedauern bei Staatsanwälten und Richtern. Schwarzfahren solle als einfache Ordnungswidrigkeit eingestuft werden.

Ob das tatsächlich geschieht, steht allerdings noch längst nicht fest. Nach Auffassung des Thüringer Justizministeriums ist die Meinungsbildung zur Sinnhaftigkeit kurzzeitiger Ersatzfreiheitsstrafen noch nicht abgeschlossen. Die damit zusammenhängenden Fragen würden derzeit zwischen den Justizministern mehrerer Länder mit dem Bundesjustiministerium erörtert. Im Herbst werde eine Arbeitsgruppe dazu Ergebnisse vorlegen. ++ (ju/mgn/30.01.18 – 030)

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Justiz blutet aus – 5.500 Staatsanwälte mit jährlich 5,2 Millionen Ermittlungsverfahren konfrontiert

Berlin, 11. Januar 2018 (ADN). Deutschlands Justiz blutet aus. Der Rechtsstaat verblasst zur Theorie. Es fehlen 2.000 zusätzliche Stellen. Ein wesentlicher Mitverursacher ist nach Auffassung des „Handelsblatts“ vom Donnerstag der Bund. Er ziehe überdimensioniert viel juristisches Personal aus den einzelnen Bundesländern in seine juristische Kompetenzsphäre. Einer Umfrage der Zeitung zufolge sind derzeit 57 Richter und Staatsanwälte aus den Ländern allein unter dem Schirm der Bundesanwaltschaft tätig. Jede dritte der 142 Stellen im höheren Dienst dieser Behörde ist damit mit Juristen aus den Ländern rekrutiert. Am stärksten geschröpft wurden Bayern und Nordrhein-Westfalen, die jeweils elf Richter und Staatsanwälte abgeben mussten. Es folgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit jeweils sieben Spitzenjuristen.

Der Generalbundesanwalt ist nicht der einzige Schnorrer unter den Bundesbehörden. Das Bundesverfassungsgericht nimmt aus Baden-Württemberg 23 Richter und Staatsanwälte in Anspruch. Zudem muss das Ländle jeweils zehn Juristen dem Bundesgerichtshof und dem Bundesjustizministerium zur Verfügung stellen. Weitere waren an das Bundesarbeitsgericht, das Bundesozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht, an das Auswärtige Amt und das Bundesamt für Justiz abzuordnen. Auf diese Weise ging die Justiz in Baden-Würtemberg einer Personalmannschaft in der Stärke von 60 Frauen und Männern verlustig. 

Die schiere Personalnot geht zulasten der Rechtsprechung. Das „Handelsblatt“ verdeutlicht das am Beispiel der Anklagebehörden. Aufgrund von Daten des Statistischen Bundesamtes hatten im Jahr 2016 bundesweit 5.500 Staatsanwälte  5,2 Millionen Ermittlungsverfahren zu bewältigen. Knapp 60 Prozent davon wurden eingestellt, in erster Linie wegen Überlastung der Justiz unter der Bezeichnung „wegen Geringfügigkeit“. 

Offensichtlich ist die Justiz zudem unfähig, realistisch zu gewichten und die Verhältnismäßigkeit herzustellen. Anstatt sich der Schwerstkriminalität stärker zuzuwenden – mit 1.200 Terrorverfahren im Jahr 2016 gab es fünfmal mehr dieser Verfahren – , verbeißen sich Staatsanwälte und Richter massenweise in Bagatelldelikte. Außerdem könnte der Paragraphendschungel gelichtet werden. Da wäre dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof zu folgen. Er präsentierte schon vor sieben Jahren ein Konzept, mit dem die Zahl der 33.000 Steuerparagraphen auf 146 gelichtet werden kann. 30 Bundessteuern sollen danach auf vier reduziert werden. ++ (ju/mgn/11.01.18 – 011)

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Sachsens Gefängnisse platzen aus allen Nähten – Binnen 18 Monaten 400 Insassen mehr

Dresden/Leipzig, 6. Juni 2017 (ADN). Neun von zehn Gefängnissen in Sachsen sind überbelegt. Wie die „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ) am Dienstag weiter berichtet, droht deswegen der Kollaps. Die Hälfte der zehn Justizvollzuganstalten (JVA) seien mit mehr als 100 Prozent ihrer Kapazität überbesetzt. Negativspitzenreiter sei Chemnitz, dessen Gefängnisauslastung bei unglaublichen 117 Prozent liegt. Die Quote betrage im Durchschnitt satte 97 Prozent. Experten hielten 90 Prozent bereits für ein Symptom akuter Überlastung. Das bedeute nicht nur für das Justizpersonal ein enormes Risiko, sondern auch für die Häftlinge selbst. Nach Angaben des Dresdner Justizministeriums ist im Zuge der Asylkrise insbesondere die Zahl von ausländischen Gefängnisinsassen gestiegen. Sie wuchs seit Anfang 2016 von rund 550 auf jetzt 950. Um das zu ändern, sollen nach den Worten von Landesjustizminister Sebastian Gemkow Haftstrafen ausländischer Gefangener verstärkt in deren Heimatländern vollstreckt werden. Dem Bericht der Zeitung zufolge gab es keine Anmerkungen zu den ohnehin problematischen sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen. Sie werden verhängt, wenn bestimmte Straf- und Zwangsgelder meist für Bagatelldelikte nicht bezahlt werden. Ihr Umfang ist nur zu schätzen, da dazu keine genauen Statistiken existieren. Damit befasste Rechtsanwälte nennen Sätze um die zehn Prozent an der gesamten Gefangenenzahl. Über diese Häftlingsgruppe wird von offizieller Seite gerne der Mantel des Schweigens gebreitet, weil derartige Verhaftungen im Grunde genommen einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gleichkommen. Würden diese schon als betriebswirtschaftlich unsinnig einzustufenden Haftaufenthalte abgeschafft, würde nicht nur Sachsens Dilemma wenigstens entschärft. Das gilt auch für viele andere Bundesländer.

Die einzige Anstalt Sachsens, die nicht über der magischen Belegungsgrenze fällt, ist Regis-Breitingen. Dort sind von 297 Plätzen  nur 202 von Gefangenen besetzt. In allen anderen „Knästen“ des Landes Sachsen gilt die Situation als nicht akzeptabel. Insgesamt gibt es in dem Bundesland 3.510 Gefangenenplätze, wovon 3.404 belegt sind. Um die Lage zu entspannen, wird an das Aufstellen von Doppelstockbetten in Einzelzellen gedacht. ++ (ju/mgn/06.06.17 – 158)

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