Leipzig, 24. November 2017 (ADN). Leipzig ist der erste ostdeutsche Standort gewesen, an dem die Ausstellung „Vergessene Geschichte – Berufsverbot“ Station gemacht hat. Am Freitag schloss die Exposition in der Universität Leipzig ihre Pforten. Zuvor war die von der Niedersächsischen Initiative gegen Berufsverbote gestaltete Präsentation über als Radikalenerlass bekanntgewordene politische Verfolgung, die vor 45 Jahren von der Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder zu „Fragen der inneren Sicherheit“ der Bundesrepublik Deutschland beschlossen wurde, in 35 Städten Westdeutschlands gezeigt worden. Aufgrund der damaligen Entscheidung wurden nach 1972 zehntausende politische Gegner „in obrigkeitsstaatlicher Manier ausgeschnüffelt und mit Berufsverbot gemaßregelt. Dieses Vorgehen wurde innen- und außenpolitisch geleugnet“, heißt es in dem Prospekt zu der Exposition.
Zur Eröffnung hatten Cornelia Booß-Ziegling und Rolf Günther in einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung als seinerzeit Betroffene aus eigenem Erleben über diese Vorgänge berichtet. Im Laufe mehrerer Jahrzehnte hätten 3,5 Millionen Überprüfungen stattgefunden. Dabei seien 25.000 bis 30.000 Verdächtige herausgefiltert worden. Mehr als 10.000 Berufsverbotsverfahren habe es gegeben, in deren Folge 2.250 Bewerber nicht eingestellt und 256 Beamte entlassen worden sind.
Ziel des Radikalenerlasses war die Vernichtung der materiellen Existenz. Die Betroffenen konnten entweder ihre Ausbildung nicht abschließen oder die erlernten Berufe bzw. nicht mehr ausüben, weil die Tätigkeitsfelder vom Staat monopolisiert waren. Berufsverbote hatten daher lebenslange existentielle Auswirkungen. ein solches Vorgehen hat in Deutschland eine lange unrühmliche Tradition im 19.Jahrhundert. Diese Politik begann mit den Karlsbader Beschlüssen 1819 gegen „revolutionäre Umtriebe, demagogische Verbindungen und geistige Vorbereitungen des Umsturzes“ sowie mit den preußischen Notverordnungen gegen „unzuverlässige Elemente“ nach der gewaltsamen Niederschlagung der Revolution von 1848/49. Als weitere Höhepunkte obrigkeitsstaatlicher Repression folgten das „Sozialistengesetz“ von 1878 und die Verfolgung von Pazifisten durch die Militärjustiz im Ersten Weltkrieg. ++ (ip/mgn/24.11.17 – 329)
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