Kunst-Provenienzforschung unterentwickelt

Berlin, 20. Januar 2019 (ADN). Die Provenienzforschung war lange keine fest an den Universitäten verankerte Disziplin. Inzwischen gibt es im Hinblick auf NS-Raubgut entsprechende Lehrstühle unter anderen in Berlin, Hamburg und Bonn. Das sagte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in einem am Wochenende in der Zeitung „neues deutschland“ (nd) veröffentlichten Interview. Das gelte jedoch noch nicht für Bestände im kolonialen Kontext etwa im Rahmen der Ethnologie. Das müsse und werde noch kommen.  Es gehe enormes Wissen verloren, wenn „Provenienzforschung nur über Drittmittelprojekte und befristete Stellen finanziert wird und keine Anschlussprojekte geboten werden“. Wissen müsse verstetigt werden. Deshalb sei es erfreulich, dass der Bund sechs neue Stellen genehmigt hat. Mit zwei davon werde die Provenienzforschung zu NS-Raubgut und vier für den kolonialen Bereich genehmigt hat. Dabei handele es sich um Dauerstellen. Wichtig sei aber auch eine zentrale Datenbank, wo alle Erkenntnisse aus Museen, Bibliotheken und Archiven zusammengetragen werden.

Warum das koloniale Erbe erst so spät öffentliche Aufmerksamkeit erregte, begründete Parzinger damit, dass auch das Thema NS-Raubkunst erst spät das öffentliche Bewusstsein erreicht hat. Es habe Entschädigungsverhandlungen in den 1950/60er Jahren gegeben. Dabei hätten jedoch nicht Kunstwerke, sondern andere Vermögenswerte gestanden. Erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der deutschen Wiedervereinigung habe ein ganz neue, ernsthafte Debatte begonnen. ++ (ku/mgn/20.01.19 – 020)

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Schatz historischer Wetterdaten wird gehoben

London, 19. Dezember 2017 (ADN). Seit Gründung des britischen Wetterdienstes UK Met Office im Jahr 1854 durch den Vize-Admiral Robert Fitzroy stapeln sich in den Archiven schriftlich hinterlegte historische Wetterdaten. Diesen wertvollen Schatz an Wetterdaten will nun einem Bericht des Deutschlandfunks vom Dienstag zufolge Ed Hawkins heben. Alle alten Messwerte sollen in moderne Datenbanken übertragen werden, um eine Vergleichbarkeit zur Gegenwart herzustellen. Um die Sisiphus-Arbeit zu leisten, will er interessierte Laien als Bürgerwissenschaftler gewinnen. Ein Probedurchlauf ist bereits erfolgreich verlaufen. ++ (kl/mgn/19.12.17 – 364)

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Gedächtnisstütze für Geschichtsvergessene: Mega-Dokumentation über jeden der 20.000 Lebenstage Adolf Hitlers

Coburg, 13. April 2016 (ADN). Unter dem Titel „Hitler – das Itinerar“ kommt in diesem Monat nach in den vergangenen Jahrzehnten erschienenen 80 Biographien Adolf Hitlers eine weitere auf den Buchmarkt. Allerdings ist es eine der ganz besonderen Art und ein Solitär, das so manchen Historiker, aber noch mehr Kommunen in Bedrängnis bringen und das Fürchten lehren kann. Darüber berichtet die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) am Mittwoch. Das voluminöse, rund 2.500 Seiten und vier Bände umfassende Werk des Verfassers Harald Sandner sei „sicher kein Lesebuch zum Schmökern geworden, aber wichtige wie entlarvende Gedankenstütze für Gemeinden, Autoren und Historiker. Mit Akribie, Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen hat Sandner alle nur denkbaren Archive, Depots und Handlungsorte im In- und Ausland aufgesucht, um innerhalb von 20 Jahren jeden der 20.000 Lebenstage des Diktators von der Geburt bis zur Vernichtung seiner Leiche nachzuzeichnen und zu dokumentieren. Den Hauptteil der Sisyphus-Arbeit bestritt er an Wochenenden und in der Urlaubszeit.

Der Buchtitel stützt sich auf das Mittelalter. „Itinerar“ ist eine Dokumentation einzelner Orte, in denen sich die deutschen Könige auf ihrem Zug durch das Reich aufhielten. „Für das Mittelalter sind solche Aufzeichnungen wichtig, um zu erfahren, ob etwa ein Dokument echt ist“, so Sandner. Er ist eigentlich von Beruf Informatiker und hat sich zu der Mega-Recherche entschlossen, weil ihn die offiziellen und inoffiziellen Behauptungen in seiner Heimatstadt Coburg immer mehr nervten, Hitler habe sich nur dreimal vor Ort in der nordbayrischen Stadt aufgehalten. Dem ist er gründlich nachgegangen. Das Ergebnis allein für Coburg war niederschmetternd. Sandner beschreibt es in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) im November vergangewnen Jahres so: „Alles, was mit Coburg zu tun hatte, war für Hitler Chefsache. Hier war er schon 1922 mit SA-Männern durch die Stadt paradiert. Hier errang die Partei später erstmals in einer Wahl die absolute Mehrheit der Mandate. Das war 1929, also vier Jahre vor der sogenannten Machtergreifung. Der ‚Marsch auf Coburg‘ von 1922 wurde zum nationalsozialistischen Mythos. Je nach Zählart war Hitler mindestens 14-mal in Coburg. Zählt man die Durchfahrten mit, waren es sogar 40-mal.“ Auch über Berlin gebe es die Legende, Hitler sei dort nur selten und widerwillig gewesen. In Wahrheit war er dort häufiger als auf dem Obersalzberg. Ähnliches gilt für das Berliner Nobel-Hotel „Adlon“.  ++ (ge/mgn/13.04.16 – 103)

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900 klinische Studien von Westfirmen in der DDR – Mediale Vorwürfe von Menschenversuchen widerlegt

Berlin, 15. März 2016 (ADN). In den Jahren 1970 bis 1984 besuchten Vertreter von 150 Pharmaunternehmen aus 16 westlichen Ländern das in Ostberlin installierte Beratungsbüro Arzneimittel (BBA), um über klinische Studien zur Erprobung neuer Medikamente im DDR-Gesundheitswesen zu verhandeln und dazu entsprechende Verträge zu schließen. Darüber informierte am Dienstag in Berlin der Leiter des Forschungsprojekts „Klinische Studien in der DDR im Auftrag westlicher Pharmafirmen“, Prof. Volker Hess, bei der Präsentation und öffentlichen Diskussion des Abschlussberichts. Letztlich sei der Nachweis für das Zustandekommen von Aufträgen aus 75 bundesdeutschen und ausländischen Firmen mit der DDR gelungen. Neben den Branchenführern aus der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gehörten vor allem pharmazeutische Unternehmen aus Frankreich, Großbritannien, USA und der Schweiz zu den Kooperationspartnern. Nach Angaben von Hess fanden sich in den verfügbaren Aktenbeständen Hinweise auf bis zu 900 klinische Studien, die im Auftrag von Westfirmen in der DDR im Zeitraum von 1961 bis 1990 durchgeführt wurden. Davon seien 321 Studien für eine genauere Analyse archivalisch hinreichend dokumentiert gewesen. Zur Bilanz nach zweieinhalb Jahren intensiver historischer Aufarbeitung gehört die wesentliche Erkenntnis, dass es in der DDR seit ihrer Gründung eine in Bonn kaum vorstellbare Kontinuität bei der Durchführung klinischer Studien gegeben hat. Die westlichen Auftragsstudien in der DDR waren überwiegend Teil von größeren multinational und multizentral angelegten Arzneimittelprüfungen, heißt es in dem Bericht. „Die Teilstudien wurden in allen angeschlossenen Prüfzentren, ob in der DDR oder in anderen Ländern, nach den gleichen Standards durchgeführt. Diese Standards entsprachen – auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs – nicht den heutigen Regeln, sondern wurden im Zuge der Weiterentwicklung internationaler ethischer Regeln und nationaler Gesetze nach und nach konkretisiert.“ Systematische Verstöße gegen die jeweils geltenden Vorschriften konnten der DDR nicht nachgewiesen werden.

Dies war einer der Vorwürfe, die das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ im Mai 2013 in einem Aufsehen erregenden Pressebeitrag erhoben und letztlich damit einen Anstoß zu dem Forschungsprojekt gegeben hatte. Darin war der Vorwurf vom „schnellen Profit“ und von „Menschenversuchen“ erhoben worden. Es war die Rede vom „Versuchslabor Ost“, in dem „unerprobte Arzneien“ verwendet wurden. Der von dem Hamburger Nachrichtenmagazin geäußerte Verdacht ethischer und rechtlicher Grenzverletzungen wurde mit dem vowiegend im Institut für Geschichte und Ethik der Medizin am Universitätsklinikum Charite umgesetzten Projekt weitgehend ausgeräumt.

Ein internationaler wissenschaftlicher Beirat unabhängiger Experten aus Medizin und Geschichtswissenschaft unter Federführung von Prof. Carola Sachse von der Universität Wien hat die Forschungen begleitet. Die Wissenschaftlerin des Instituts für Zeitgeschichte an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät erklärte, die DDR ist keine „ungeregelte Spielwiese“ gewesen. Dem Slogan „Der Skandal, der keiner war“ sei zuzustimmen. Um diesen Staat als diktatorisches Sytem zu beschreiben, müsse man nach anderen Aspekten suchen oder anderswo in der Welt hinsehen. Im Gegenteil, die DDR sei dem Westen teilweise voraus gewesen. im Übrigen biete der Abschlussbericht eine gute Grundlage für weitere Forschungen in dieser Richtung. Allerdings käme es nun darauf an, dass die Archivunterlagen, deren Aufbewahrungsfristen in diesen Jahren ablaufen und die jeweils landesrechtlich bestimmt sind, verlängert werden. Das sei das wichtigste Gebot der Stunde.  ++ (mz/mgn/15.03.16 – 075)

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