Wasser ist Menschenrecht und Naturgeschenk – AöW begeht 10jähriges Bestehen

Berlin, 30. März 2017 (ADN). „Wasserwirtschaft ist in öffentlicher Hand zu halten. Wir sind den Einwohnern verpflichtet und dabei darf die Nachhaltigkeit nicht vergessen werden.“ Das erklärte der Vizepräsident der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) und ehemalige Bürgermeister der Bergbaugemeinde Lengede, Hans-Hermann Baas, am Donnerstag in Berlin zum zehnjährigen Bestehen der Organisation. Die Kommunen seien letztlich für die Wasserversorgung verantwortlich und zuständig. Staatliche Monopolbetriebe könnten das nicht leisten. Die lange Zeit proklamierte Devise „Privat vor Staat“ habe sich als falsch erwiesen und abgewirtschaftet. „Zumindest wird registriert und eingesehen, dass so nicht mehr weitergemacht werden kann wie in den vergangenen Jahrzehnten“, sagte der leidenschaftliche Kommunalpolitiker. Wenn eine Kommune dennoch nicht damit zu Rande kommt, solle sie mit den Nachbargemeinden in eine interkommunale Zusammenarbeit eintreten.

Eine zusätzlich gewichtige Komponente dieses elementaren Prinzips der Daseinsvorsorge erläuterte in anschaulicher Weise aus globaler Sicht die Trägerin des Alternativen Nobelpreises „Right Livelihood Award“, Maude Barlow aus Kanada, unter der Überschrift „Das Gemeingut Wasser und die Wasser-Menschenrechte“. Sie nannte eindrucksvolle und besorgniserregende Beispiele der weltweiten Wasserkrise. So sei in China seit 1990 mehr als die Hälfte der Flüsse verschwunden. In 80 Jahren könnten in den USA die großen Seen verschwunden sein. Auch Kanada – ein wasserreiches Land wie Deutschland – befinde sich im Gefahrenbereich der Wasserkrise. „Wasser der Marktwirtschaft preiszugeben und als Ware zu behandeln, ist äußerst bedrohlich“, stellte die zierliche Wasserkämpferin fest. Vor 20 Jahren habe der erbitterte Kampf gegen die Wasserkonzerne, gegen die Weltbank und gegen private Wasserversorger begonnen. Fast vier Dutzend Länder hätten inzwischen das Recht auf Wasser in ihrer Verfassung festgeschrieben. in Kanada gebe es ein Programm zur demokratischen Kontrolle des Wassers. Jedoch sei all das fragil angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung durch transnationale Konzerne. Beispielsweise wurde in Detroit und Baltimore Tausenden Menschen über Nacht einfach das Wasser abgedreht. Indigene Völker hätten am meisten zu leiden. Wasser könne die Gesellschaft spalten, aber auch zusammenbringen. Barlow stellte die rhethorische Frage: „Wie kann man Frieden aushandeln, wenn die Wasserfrage nicht geklärt ist ?“. in Bolivien sei die Bevölkerung mit verdreifachten Wasserpreisen unter Druck gesetzt worden. Letztlich wurden die Leute so in die Enge getrieben, dass sie sich zuletzt auf den Standpunkt „Uns gehört der Regen“ zurückzogen. Sogar dagegen verhängte der betrefffende Konzern Strafgeld. Dagegen habe Oscar Oliveira gekämpft – unter dem Motto „Lieber durch eine Gewehrkugel sterben, als verdursten“. Abschließend sagte Barlow, dass es keinen Ersatz für Wasser gibt. Es sei ein Geschenk der Natur. ++ (uw/mgn/30.03.17 – 089)

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Kali-Weltkonzern verusacht größte Fluss-Verschmutzung Europas – Ökologische Zeitbomben ticken noch mehr als 1.000 Jahre

Eisenach/Dankmarshausen, 15. März 2017 (ADN). Bei der Verschmutzung der Werra durch den Kasseler Kali-Weltkonzern K + S handelt es sich um die größte Fluss-Versalzung in Europa, wenn nicht gar weltweit. Dieses vernichtende Urteil fällte am Mittwochabend ein hessischer Landtagsabgeordneter auf einem öffentlichen Kolloquium in dem westthürigischen Ort Dankmarshausen im Wartburgkreis. Das Bergbau-Unternehmen sowie die Politik hätten zehn Jahre Zeit gehabt, um die Miss-Stände abzustellen. Stattdessen sei von K + S noch zusätzlich Öko-Dumping betrieben worden, indem das Unternehmen in Südamerika Salzminen aufgekauft hat und damit künstliche Konkurrenz geschaffen wurde.

Außerdem wurde durch den Kalibergbau an der Werra seit dem Jahr 1925 rund eine Milliarde Kubikmeter Laugenabfälle unterirdisch versenkt. Darauf wies Sylvia Hartung, Bürgermeisterin von Gerstungen hin. Die Stadt zähle zu den 20 thüringischen Gemeinden, deren Trinkwasserversorgung schon vor 30 Jahren gravierend beeinträchtigt und gestört war. Zur Sanierung sollten für diese Kommunen bereits zu DDR-Zeiten 40 Millionen Mark ausgegeben werden. Jedoch sei dieses Investitionsvorhaben durch die politischen Veränderungen und das Verschwinden der DDR nicht mehr umgesetzt worden. Inzwischen habe sich die verpresste Salzlauge bereits in den Buntsandsteinformationen und im Grundwasser unkontrolliert ausgebreitet, wie im Jahr 2010 festgestellt wurde. Trotz der von ihr vorgelegten zahlreichen Beweisdokumente, zu denen eine 151seitige Untersuchung des Zentralen Geologischen Instituts der DDR gehört, behaupte die hessische Kaliindustrie bis heute, das durch die Abfälle keine Beeinflussung besteht.

Besonders scharfe Kritik an den skandalösen, von K + S über Jahrzehnte verursachten und vor der Öffentlichkeit verschleierten Zuständen äußerte Rechtsanwalt Alexander Reitinger, der die Stadt Gerstungen juristisch vertritt. Eine 2015 vom Regierungspräsidium Kassel erteilte Übergangserlaubnis zum Versenken von Abwasser sei bis 2021 verlängert worden. Weitere 85 Millionen Tonnen Lauge werden das Grundwasser künftig noch schädigen unter Kenntnis und Akzeptanz der Behörden, so der resolute Jurist. Die Bergbehörden säßen selbst mit im K + S-Boot. Zudem bestehe ein Riesenproblem in der Schwermetallbelastung, die bei der vorläufigen Erlaubnis völlig ausgeklammert worden ist. Die betreffende Genehmigung, die das Verpressen von 1,5 Millionen Kubikmeter Lauge erlaubt und mindesten acht Trinkwasserbrunnen gefährdet, sei nicht nur deshalb unschlüssig und damit nichtig. Dass das Verpressen von Kaliabwässern in mehrfacher Hinsicht erhebliche Umweltrisiken birgt, sei bereits vor Jahrzehnten zwischen der DDR und der BRD klar gewesen. Den schlagenden und unübersehbaren Beweis habe die Gebirgsschlag-Katastrophe am 13. März 1989 mit dem Epizentrum Völkershausen/Rhön geliefert, bei der das künstlich von Menschenhand ausgelöste Erdbeben gigantische Schäden verursacht hatte. Reitinger wirft dem Weltkonzern K + S permanente Intransparenz und Geheimoperationen durch verweigerte Akteneinsicht und massive Manipulationsaktionen vor. Die Stadt Gerstungen sei keineswegs „Quertreiberin“, sondern Vorkämpferin für das Allgemeinwohl in der Region. Es mache Mut, dass es immer mehr Verbündete gibt. Sogar Fachbehörden, die in die Lagebeurteilung und in die Genehmigungsverfahren eingebunden werden müssen, werden hellhörig. Um deren eventuelle kritische Sicht oder gar Ablehnung auszuschalten, haben sie nach den Worten von Reitinger beispielsweise für die Stellungnahme zu einem 800 Seiten umfassenden Plausibilitäts-Dokument im Dezember 2016 nur eine Frist von fünf Tagen bekommen. Das sei für eine ernsthafte Prüfung viel zu wenig Zeit.

Eindrucksvolle persönliche Schilderungen über die Gefahren der systematischen Umweltschädigung durch die Düngemittelherstellung aus Kalisalz lieferte der Vorsitzende der Bürgerinitiative „Für ein lebendiges Werratal“, Klaus Reinhardt. Aufgrund der nicht mehr genießbaren, immer salziger schmeckenden Flüssigkeit aus dem Wasserhahn musste Trinkwasser kanisterweise aus der Ferne herangeschafft werden, um kochen, trinken und sich waschen zu können. So habe er seinen 18. Geburtstag im Jahr 1968 erlebt. Zudem gab es erste Tierverluste in der Agrargenossenschaft. Ferkel verendeten wegen des mieserablen Wassers. Auch deshalb habe die DDR im Jahr 1968 auf Thüringer Seite in ihrem Einflussbereich die Laugenverpressung eingestellt. Reinhardt äußerte die Befürchtung, dass für K + S inzwischen die Einlagerung von Giftmüll in den entstandenen Hohlräumen noch profitabler ist als die Produktion von Düngemitteln aus Kalisalz. 

Dass diese schleichend voranschreitende unter- und überirdische Umweltzerstörung kein schicksalhafter Vorgang ist, erklärt der seit 1997 mit dem Problem befasste Geologe, Geochemiker und Sachverständige Dr. Ralf E. Krupp aus Niedersachsen. Es gebe durchaus – und das nicht erst seit gestern und heute – alternative und ökologisch weitgehend neutrale Gewinnungsmöglichkeiten von Kali. Sogar Entwicklungsländer wie Kambodscha praktizierten saubere Kaliförderung. Es wäre sogar möglich, aus den Abfallmengen Wertstoffe herauszufiltern und zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Er erläuterte beispielweise drei Varianten, für die jeweils Zusatzerlöse von 158, 145 und 142 Millionen Euro jährlich errechnet wurden. Außerdem würden dabei für die Wirtschaft wichtige Rohstoffe wie Magnesium zurückgewonnen.

Krupp, der den Begriff Raubbau sehr häufig angesichts der gegenwärtigen Situation verwendete, analysierte auch sehr ausführlich – neben der Flussversalzung und der unterirdischen Laugen-Versenkung – die dritte durch den Kalibergbau gelegte ökologische Zeitbombe: die Abfallhalden. „K + S fährt jährlich 20 Millionen Tonnen auf Halde“, stellte der Geologe fest. Es brauche 800, 1.000 oder sogar 1.200 Jahr, bis sie für die nächsten Generationen entschärft sein werden. Das Dilemma sei vergleichbar mit dem des Atommüll-Desasters. 

Zum Abschluss der von der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) organisierten Veranstaltung wies deren Geschäftsführerin, Christa Hecht, darauf hin, dass unter den Teilnehmern keine Behördenvertreter und Repräsentanten des Unternehmens K + S waren. Sie seien zwar zahlreich eingeladen worden, hätten jedoch abgesagt. Es bliebe offen, ob sie nicht wollten, durften oder aus anderen Gründen fehlten. Allerdings füllten zahlreiche interessierte Bürger und Gäste aus anderen deutschen Regionen, insbesondere aus den vom Kaliabbau und der Werra-Weser-Versalzung direkt betroffenen Bundesländern Hessen, Thüringen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bremen, den Saal. Das zeigt, dass das Motto und die Fragestellung des Kolloquiums „Hat David heute noch eine Chance gegen Goliath ?“ gewissen Optimismus verbreiten dürfte. ++  (uw/mgn/15.03.17 – 070)

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